„Wir haben uns daran gewöhnt. Komisch ist es, wenn sie nicht schießen“, sagt Andriy, ein ukrainischer Bauer im Donbass zu Reuters-Journalisten. Täglich hagelt es Bomben und Raketen auf sein Feld – dennoch steigt Andriy jeden Morgen auf seinen Traktor und bringt die Ernte ein. Noch sind Speicherkapazitäten für sein Getreide vorhanden – doch nicht mehr lange. Die russische Seeblockade im Schwarzen Meer verhindert ukrainische Getreideausfuhren, was zu massiven Hungersnöten in Entwicklungsländern führen könnte.
Dadurch drohen volle Getreidesilos – und damit tonnenweise verdorbenes Getreide, das weder den Ukrainern durch den harten Winter helfen könnte, geschweige denn den Bauern Lohn einbrächte. Die Hoffnungen der Ukraine ruhen auf den Verhandlungen mit der Türkei, Russland und den Vereinten Nationen, die in den kommenden Tagen abgeschlossen werden sollen. Dem Vernehmen nach ist eine Lösung in Sicht, in der die Türkei eine große Rolle als Vermittler, aber auch als Zentrum von Kontrollinstanzen zur Überwachung des Getreidetransports spielen dürfte.
Bittsteller
Indes rückte der Iran sowohl mit Russland als auch der Türkei wirtschaftlich zusammen: Gazprom und die National Iranian Oil Company unterzeichneten eine Absichtserklärung für eine Zusammenarbeit im Wert von 40 Milliarden Euro. Zusätzlich erwartet sich Raisi hohe Umsätze durch den neuen Nord-Süd-Korridor zwischen Russland und Indien über iranisches Gebiet, der westliche Sanktionen obsolet machen dürfte. Vor allem im Bereich des Öltransports erwartet sich Moskau schnellere Routen als die bisherige über den Suez-Kanal.
Auch mit der Türkei will Teheran das Handelsvolumen auf 30 Milliarden Dollar pro Jahr vervierfachen – Erdoğan sah vor allem Möglichkeiten im Bereich der Waffenproduktion. Dort dürfte die Nachfrage weiter steigen.
Gleichzeitig stehen Vorwürfe gegen Ankara im Raum, wonach in der Türkei durch die Russen erbeutetes Getreide verkauft werden soll. Vor allem aber tönt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit Wochen von einer erneuten Offensive gegen die kurdisch dominierten „Syrisch Demokratischen Kräfte“ in Nordsyrien – und dafür muss er sich den Sanctus von Wladimir Putin und Ebrahim Raisi holen. Das Land mit der zweitgrößten NATO-Armee bereitet also mit der „Erlaubnis“ Wladimir Putins eine weitere, völkerrechtswidrige Invasion vor, gilt gleichzeitig als Hoffnungsträger des Westens.
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