US-Waffen setzen russische Truppen unter Druck

Landing exercise in Riga of US Air Force special operation aircraft demonstrating HIMARS deployment
Die gelieferten Himars-Raketenwerfer geben den ukrainischen Streitkräften Auftrieb im Kampf gegen Russland.

Aus vollen Rohren feuern die ukrainischen Soldaten schon seit Tagen mit den Mehrfachraketenwerfern vom Typ Himars, die sie aus den USA bekommen haben.

In den Gebieten im Osten und im Süden ihres Landes, die jetzt unter russischer Kontrolle sind, sprengen sie Waffen- und Munitionsdepots sowie Treibstofflager in die Luft. Auf Videos zeigen sie stolz, wie Ziele in den Gebieten Luhansk, Donezk und Cherson in Flammen aufgehen. Bilder, die die eigene Kampfmoral heben sollen.

Auch Präsident Wolodymyr Selenskij lobt die vom Westen gelieferten schweren Waffen als effektiv. Und er fordert mehr davon - und auch Raketen mit höherer Reichweite: statt 70 bis zu 300 Kilometer. Selenskij kündigt immer wieder eine Offensive an, um verlorene Gebiete zurückzuholen und den russischen Vormarsch zu stoppen.

Aber ungeachtet der punktuell erfolgreichen Schläge gegen die Logistik, die als Schwachpunkt der russischen Streitkräfte gilt, sehen selbst ukrainische Experten keinen Durchbruch.

Die Zerstörung von Munitions- und Treibstoffdepots in der Nähe der Front wirkt nach Einschätzung des ukrainischen Militäranalysten Oleh Schdanow vor allem kurzfristig.

"Das senkt die Kampfaktivität der russischen Einheiten sehr drastisch", sagt er im ukrainischen Fernsehen. "Das macht uns die Verteidigung leichter. Und wir erhalten die Möglichkeit, an einzelnen Abschnitten zu Gegenangriffen überzugehen. Wie sehr auch Russland sich abmüht: Wir zwingen ihnen den Charakter der Kriegsführung auf."

Damit sei der russische Plan der "Schlacht um den Donbass" torpediert worden, meint Schdanow. Statt eines schnellen Durchmarsches mit einer Einkesselung der ukrainischen Truppen schafften sie nur wenige Kilometer - mit großen Verlusten. Der Beschuss durch russische Artillerie sei weniger geworden.

Auch kremlkritische russische Medien berichten, dass Moskau kaum Zeit gehabt habe, die Eroberung des Gebiets Luhansk zu feiern. Russland habe zwar einen Vorteil durch seine Artillerie und Munitionsvorräte. Aber das US-System Himars mit seinen durch GPS punktgenau platzierten Raketen versetze den russischen Einheiten empfindliche Schläge, heißt es in einer Analyse des Portals Meduza.

Russland muss sich neu aufstellen

Russland müsse nun die Versorgung seiner Truppen im Donbass und in der Region Charkow im Osten sowie in den Gebieten Saporischschja und Cherson im Süden mit Waffen, Munition und Treibstoff neu ausrichten. Es sei nicht klar, ob dies ohne eine größere Mobilmachung gelinge. Inzwischen gibt es immer mehr Initiativen russischer Provinzbehörden, Freiwillige für den Krieg zu gewinnen.

Das Himars-System bedrohe die Sicherheit der "Volksrepublik Luhansk", räumte in dieser Woche auch der Chef der von Russland als Staat anerkannten Region ein, Leonid Passetschnik. "Zum Glück haben sie nicht viele solcher Waffen. Deshalb gibt es überhaupt gar keinen Grund zur Panik."

Doch die Ukraine hofft auf noch mehr solcher Waffen vom Westen. Experte Schdanow meint, dass Russlands Luftabwehr gegen die Himars-Raketen keine Chance habe. Die Angreifer verwenden Raketen sowjetischer Bauart, die auch wegen fehlender moderner Navigationssysteme ihre Ziele immer wieder verfehlen.

Der ehemalige ukrainische Abgeordnete Oleg Zarjow, der heute in Russland lebt, rechtfertigte das Versagen der russischen Raketenabwehr. Die ukrainischen Truppen feuerten zuerst Salven aus älteren Raketenwerfern, um die russische Luftabwehr zu entladen. Erst dann kämen die "teureren und genaueren" Himars-Raketen zum Einsatz.

Die Störung der russischen Logistik könnte nach Einschätzung von Militärexperten zwar die Voraussetzung schaffen für eine ukrainische Gegenoffensive. Aber im Moment liegt die Initiative weiter bei den russischen Truppen, die sich langsam im Donezker Gebiet vorarbeiten - nun an der Linie zwischen den Städten Siwersk, Soledar und Bachmut.

Auch die Hoffnungen auf eine baldige Rückeroberung von Cherson und des Südens, der in den ersten Kriegstagen verloren ging, sind gering. Mal werden ukrainische Soldaten in einem Video gezeigt, die bereits "in die Vororte von Cherson vorrücken". Mal verkündet ein vermummter Soldat: "Wir sind schon nahe, zehn Kilometer von Cherson entfernt. Haltet durch."

Aber die ständigen Berichte über angeblich laufende Offensiven wurden selbst dem für Gegenpropaganda geschaffenen staatlichen Zentrum für strategische Kommunikation und Informationssicherheit zu viel. Tatsächlich gebe es nur drei befreite Dörfer: Tawrijske, 30 Kilometer westlich von Cherson, und Potjomkyne sowie Iwaniwka, mehr als 100 Kilometer nordöstlich der Gebietshauptstadt. Der Regierungsbezirk hat insgesamt mehr als 650 Siedlungen.

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