20 Prozent sind besetzt
Georgien und Russland, das ist schon lange eine komplizierte Geschichte - seit Putin seine Panzer in die Ukraine geschickt hat, umso mehr. Die Kaukasusrepublik mit ihren 3,7 Millionen Einwohnern war das erste Land, das 2003 mit einer Revolution die letzten Reste der Sowjetunion mit all ihrer Korruption aus dem Land fegen wollte, die Ukraine folgte nur ein Jahr danach.
Bei Putin hat das die Alarmglocken schrillen lassen: Die Repressionen in Russland wurden nach den Revolutionen in den Ex-Sowjetstaaten immer massiver, und seine Expansionspolitik begann damit: 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein, der Fünf-Tage-Krieg um die Separatistenregionen Südossetien und Abchasien begann. Gelöst ist der Konflikt bis heute nicht, 20 Prozent des Landes gelten als besetzt.
Das ist auch der Grund, warum Georgien sich nie aus der Umarmung Moskaus lösen konnte. Zwar ist das Land seit dem Vorjahr offiziell EU-Mitgliedskandidat, wirtschaftlich ist es aber nach wie vor extrem von Russland abhängig. Mehr als 90 Prozent des Weizens kommen von dort, umgekehrt ist Russland einer der wichtigsten Exportmärkte, vor allem bei Lebensmitteln.
Militärisch abgekapselt
Die Angst vor einem neuerlichen Angriff ist seit 2008 nie verschwunden. Das hat zum Teil damit zu tun, dass das Land trotz des großen Wunsches der Bevölkerung nach wie vor nicht in die NATO aufgenommen worden ist; Russlands Besetzung verhindert das. Anders als die Ukraine hat Georgien aber geografisch äußerst schlechte Bedingungen zur Gegenwehr, durch die Gebirge in Norden und Süden könnte Russland das Land binnen Kurzem in zwei Teile sägen und militärisch außer Gefecht setzen, und aus der Türkei ist keine Hilfe zu erwarten.
Angesichts der Lage in der Ukraine wirkt das NGO-Gesetz deshalb wie eine Vorleistung von Tiflis, um nicht ins Visier Moskaus zu geraten. Die georgische Führung spekuliere deshalb wohl darauf, „dass Russland auf die eine oder andere Weise in der Ukraine die Oberhand gewinnt und sich mit gestärktem Selbstbewusstsein auch in anderen Nachbarländern engagiert“, analysiert der Georgien-Experte Marcel Röthig von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Man wolle es „mit der EU-Integration nicht zu weit treiben und Moskau möglichst nicht gegen sich aufbringen.“
EU-Zustimmung riesig
Dabei galt die Partei „Georgischer Traum“, die hinter dem Gesetz steht, einst als Wegebereiterin in Richtung EU. Doch die 2012 gegründete, nationalkonservative Bewegung hat offenbar ihre Probleme mit den Brüssel geforderten Reformschritten, der Justizreform und der De-Oligarchisierung. Das wundert wenig, denn ihre graue Eminenz Bidsina Iwanischwili ist der reichste Mann des Landes – und mit einem Vermögen von 6,5 Milliarden Dollar laut Forbes auf Platz 400 weltweit.
Sein Vermögen hat Iwanischwili in Russland gemacht, und auch heute hat er noch beste Kontakte dorthin. Er war es auch, der jetzt zum Rundumschlag gegen den Westen ausholte, um das Gesetz seiner Partei zu legitimieren. In einer Rede in seinem Luxuspalast in Tiflis, für die extra Claqueure aus dem ganzen Land herbeigekarrt wurden – eine Methode, die man auch aus Moskau nur allzu gut kennt – sprach er von einer „globalen Kriegspartei“, die entscheidenden Einfluss auf die NATO und die EU habe und die Georgien und die Ukraine nur als Kanonenfutter sehe. Wen er damit meinte, machte er nicht klar – nur so viel: „Ziel ist es, dass keine vom Volk gewählten Politiker Georgien verwalten, sondern von außen ernannte ,Fledermäuse‘.“
Leise Kritik aus Brüssel
In Brüssel beobachtet man all das mit Argwohn, allzu laute Kritik gab es aber bisher nicht. Auch nicht, als Oppositionsführer Levan Khabeishvili schwer von Spezialeinheiten der Polizei verprügelt wurde; sein Gesicht ist mit Blessuren übersät.
Offiziell droht die EU damit, dass der Beitrittsprozess eingefroren wird, wenn das Gesetz durchgeht. Im Sinne der Bevölkerung wäre das nicht: Laut den jüngsten Umfragen sind knapp 90 Prozent der Georgier für den EU-Beitritt - und 73 Prozent sehen in Russland einen Aggressor.
Der Regierung könnte ein Einfrieren aber in die Hände spielen, die nötigen Reformen würden so auch auf Eis gelegt. Und Brüssel würde damit in der Zwickmühle stecken - ein Dilemma, das wieder nur Putin in die Hände spielt.
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