Denn kurz vor dem ersten Durchgang am morgigen Sonntag ist laut Umfragen der Abstand vor der Zweitplatzierten Marine Le Pen zusammengeschmolzen: Macron fiel auf 26 Prozent zurück, Le Pen stieg auf 23 Prozent auf.
Und auch wenn Studien zum Ausgang der zweiten Runde am 24. April laut Meinungsforschern zum jetzigen Zeitpunkt mit großer Vorsicht zu genießen sind, so trennen auch dort nur noch wenige Punkte die beiden voraussichtlichen Finalisten – die schon 2017 in der Stichwahl gegeneinander antraten.
Ein Grund für Macron, in einem Zeitungsinterview Le Pens „rassistisches“ Programm anzugreifen. Dieses würde die Gesellschaft spalten, warnte er, und mit Versprechen wie einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte „lügt sie die Leute an“, denn finanzierbar sei das nicht.
Er selbst verlor Beliebtheitspunkte, seit er angekündigt hat, das Rentenalter von 62 auf 65 anheben zu wollen und die Auszahlung der Mindestsicherung an 18- bis 25-Jährige an die Bedingung zu knüpfen, dass sie bis zu 20 Stunden pro Woche arbeiten. Damit hat er seinen Ruf, ein Präsident der sozialen Kälte zu sein, befeuert.
Demgegenüber ist es der Chefin des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) gelungen, stark das Thema Kaufkraft aufzugreifen, das derzeit die größte Sorge der Menschen in Frankreich ist. Ihr Vorschlag der „nationalen Präferenz“, mit dem sie den Zugang zu Jobs, Sozialwohnungen oder staatlichen Leistungen für Ausländer beschneiden will, würde zwar gegen den in der Verfassung festgesetzten Grundsatz der Gleichheit aller ungeachtet von Herkunft, Rasse oder Religion verstoßen. Sie selbst spricht aber von einer „legalen und zulässigen Diskriminierung“.
Im Vergleich zum noch radikaleren Auftreten des Ultrarechten Éric Zemmour erscheint Le Pen vielen inzwischen moderat. Lange war Zemmour, der auf 9,5 Prozent abgefallen ist, ein scharfer Konkurrent für sie, der eine Reihe RN-Parteikader abwarb, darunter auch Le Pens Nichte Marion Maréchal. Nun aber nutzt ihr die Kandidatur des Mannes, der mehrmals wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist. Denn insgesamt ist das rechtsextreme Lager erstarkt.Dennoch hofft der Drittplatzierte Jean-Luc Mélenchon weiterhin auf seinen möglichen Einzug in die Stichwahl.
Der Linkspopulist legte in den vergangenen Tagen enorm zu auf 17,5 Prozent, da er sich als der aussichtsreichste Kandidat der Linken durchsetzen konnte. Dass Mélenchon dem russischen Präsidenten Wladimir Putin lange freundlich zugeneigt war und weiterhin den Austritt Frankreichs aus der NATO fordert, schadete ihm nicht.
Demgegenüber haben die traditionellen Volksparteien, die Sozialisten und die Republikaner, das Nachsehen, die erneut die Stichwahl verfehlen dürften. Zwischen dem Mitte-Politiker Macron und den Extremen fanden sie ihren Platz nicht. Die Sozialistin Anne Hidalgo kann mit höchstens drei Prozent rechnen – eine gewaltige Schmach für die frühere Regierungspartei. Auch der republikanischen Kandidatin Valérie Pécresse droht mit 8,5 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis.
Aus Paris Simone Weiler
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