Michelle und ihr Freund, die eigentlich bei ihren Eltern feiern wollten, fuhren am Samstag zum Supermarkt, um nun doch selbst Weihnachtsessen einzukaufen. Viele andere hatten die gleiche Idee. „Wegen der Menschenmenge war das Risiko dort wahrscheinlich höher als bei einem Fest bei meiner Familie, die die Corona-Regeln streng befolgt“, ärgert sich Michelle. Noch längere Schlangen als zuvor bildeten sich auch in Londons beliebter Einkaufsstraße Oxford Street, weil viele noch schnell versuchten, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, bevor ab Sonntag nur noch „wesentliche“ Geschäfte offen bleiben durften.
Auch am Londoner Bahnhof
St. Pancras kam es zu Chaos. Da das Verlassen von Regionen in Stufe 4 ab Sonntag verboten war, drängten viele mit kurzfristig gebuchten Tickets in Züge. Sie und ihr Partner hätten in letzter Sekunde entschieden, mit dem kleinen Sohn ins Haus der Eltern an der Küste zu fahren, sagte eine Frau. „Wir konnten den Gedanken nicht ertragen, ein Kleinkind in einer kleinen Wohnung ohne frische Luft zu haben.“
Derartigen „Flucht“-Bewegungen soll nun aber der Riegel vorgeschoben werden. Verkehrsminister Grant Shapps kündigte am Sonntag an, dass die Polizei Familien daran hindern werde, Stufe 4-Gebiete per Auto oder Zug aus „nicht-essenziellen Gründen“ zu verlassen. Zusätzliche Beamte würden dafür auf den Bahnhöfen eingesetzt. Auch Londons Bürgermeister Sadiq Khan rief die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben. Die Polizei kündigte an, „Maßnahmen gegen Menschen zu ergreifen, deren egoistisches Handeln andere gefährden könnte“.
Auch im Rest von England, wo fünf Festtage für Familientreffen geplant waren, sowie in Wales und Schottland, die selbst über Corona-Regeln entscheiden, sind Weihnachtsfeste jetzt auf den 25. Dezember beschränkt. Reisen zwischen Schottland, wo bisher 17 Fälle der neuen Virus-Variante identifiziert wurden, und anderen Teilen Großbritanniens sind verboten.
Vielen Menschen droht nun Einsamkeit, worauf eine Mitarbeiterin der britischen Gesundheitsbehörde NHS in einem Tweet über eine am Donnerstag entlassene Patientin hinwies: „Als ich sie am Freitag anrief, war sie so glücklich, Weihnachten mit ihrer Tochter und den Enkelkindern zu verbringen. 24 Stunden später ist sie in Stufe 4 und sieht Weihnachten allein ins Auge“.
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