Frauen in Afghanistan: "Wir kämpfen, aber niemand hört uns zu"

Demonstration in Kabul, Mai 2022
Viele im Westen hätten sich mit der Lage im Land abgefunden, klagt die Frauenrechtlerin Husna Jalal. Sie und Suraya Pakzad setzen sich vom Exil aus für ihre Landsfrauen ein.

Seit Wochen blickt die Welt auf den Iran, wo nach dem Tod einer Studentin in Polizeigewahrsam Menschen für mehr Frauenrechte und gegen das repressive Regime auf die Straße gehen; Frauen wie Männer. Am Sonntag kam es an einer Universität in Teheran zur gewaltsamen Niederschlagung eines weiteren Protests – Medien weltweit berichteten darüber.

Im benachbarten Afghanistan sind Frauenrechte seit der Rückkehr der Taliban an die Macht im August 2021 gar nicht mehr vorhanden. Dennoch äußern immer wieder Frauen ihren Unmut über Arbeits- und Schulverbote, Burka-Zwang und alltägliche Gewalt und riskieren damit Verhaftung und Schlimmeres.

Berühmte Mutter

„Auch wir kämpfen“, sagt die afghanische Aktivistin Husna Jalal im Gespräch mit dem KURIER. „Der Unterschied zum Iran ist, dass uns niemand zuhört. Die Lage in Afghanistan ist zur Normalität geworden.“

Jalal ist 26 Jahre alt, ihre Mutter war nach dem Sturz der Taliban durch die USA 2001 die erste Frau, die sich um das afghanische Präsidentenamt bewarb.

Frauen in Afghanistan: "Wir kämpfen, aber niemand hört uns zu"

Husna Jalal

Sie unterlag gegen Hamid Karzai und wurde später als Frauenministerin zu einer gewichtigen Fürsprecherin für Millionen Afghaninnen.

Ihre Tochter setzte sich seit ihrer High-School-Zeit ebenfalls für Frauenrechte ein. Dann kam der 15. August 2021, Kabul fiel in die Hände der Taliban. „Drei Tage davor hatten mich Freunde gewarnt und gesagt, ich solle mir Visa für das Ausland besorgen“, erinnert sich Jalal. „Ich habe gelacht.“

Wie viele andere auch, darunter USA, NATO und EU dachte Jalal, dass die Taliban nie wieder an die Macht kommen würden.

Als genau das passierte und die internationale Gemeinschaft das Land zu verlassen begann, sei sie unter Schock gestanden, sagt sie, dachte aber zuerst nicht an Flucht. Aus Angst um ihre bekannte Mutter verließ sie mit dieser dann doch das Land: „Ich hatte Angst, dass sie vor meinen Augen umgebracht würde.“

Heute lebt Jalal in den Niederlanden, studiert an der Universität Leiden und bietet anderen Afghaninnen mit ihrer Organisation „Young Afghan Women Movement“ eine Plattform.

Geheime Bibliothek

Über das Internet hilft sie Mädchen und Frauen in der Heimat und im Exil die Möglichkeit, sich zu vernetzen oder sich trotz Verbots fortzubilden. Ein afghanisches Mädchen habe etwa in einem Zimmer ihres Elternhauses heimlich eine Bibliothek eingerichtet, die anderen Mädchen in der Nachbarschaft offenstehe.

Auch Suraya Pakzad setzt auf Hilfe vor Ort. Die Afghanin hat zeit ihres Lebens – sie ist in ihren Vierzigern – nie wirklichen Frieden in ihrer Heimat erlebt. Im ersten Taliban-Regime unterrichtete sie Mädchen unter strengster Geheimhaltung in ihrem Haus, 1998 gründete sie die Hilfsorganisation „Voice of Women“.

Mit bis zu 300 Mitarbeitern ermöglichte Pakzad bis vor einem Jahr Frauen in mehreren afghanischen Regionen schulische und berufliche Ausbildung und bot Schutz bei Gewalt durch männliche Angehörige.

Auch Pakzad musste im August 2021 fliehen, sie lebt nun in Deutschland.

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Ihre Organisation ist mittlerweile wieder aktiv – einige Projekte wie Traumatherapien oder das Aufzeigen von Zuverdienstmöglichkeiten würden von den Taliban akzeptiert.

Anders sehe es bei der Vermittlung von juristischem Wissen oder von Frauen- und Kinderrechten aus. „Doch auch das tun wir, indem wir aufzeigen, dass diese Rechte im Koran festgeschrieben sind“, sagt Pakzad, für die das Wort „Aufgeben“ nach eigenen Angaben nicht existiert.

"Wir kehren zurück"

Jalal und Pakzad, die auf Einladung von Women Without Borders und dem Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) in Österreich waren, sehen ihre Zukunft trotz aller Hindernisse in Afghanistan.

Bis zu ihrer Rückkehr wollen sie von Europa aus an das Leid ihrer „Schwestern“ erinnern, wie Jalal ihre Landsfrauen nennt. „Wir brauchen eure Stimmen“, sagt die junge Frau mit Nachdruck, „und die eurer Regierungen“.

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