Aktivistin Regl: "Schicksal der Afghanen interessiert nur noch die Betroffenen"
"Afghanistan wird von der Welt vergessen werden." Das sagte Masomah Regl, Österreicherin mit afghanischen Wurzeln, zum KURIER, als die Taliban im Sommer 2021 das Land eroberten und sich die Augen der Welt plötzlich wieder auf den Krisenherd richteten.
Heute sagt sie: „Afghanistan ist tatsächlich weitgehend aus den Medien verschwunden. Das Schicksal der afghanischen Bevölkerung interessiert nur noch die Betroffenen selbst und ihre engsten Mitstreiterinnen.“
Masomah Regl, 35, lebt mit Mann und Kleinkind in der Steiermark. Sie arbeitet als Integrationsreferentin in Graz und engagiert sich ehrenamtlich im afghanischen Verein Fivestones.
Unterdrückt und verwundet
Ihr Start ins Leben war denkbar schwierig: Geboren in Kabul als Halbwaise in einer Familie der Hazara, einer seit Jahrhunderten unterdrückten schiitischen Volksgruppe, wächst sie in bitterster Armut mit vier Geschwistern auf und verliert bei einem Raketenanschlag ein Bein. Drei Verwandte sterben, sieben werden verletzt. Eine deutsche Hilfsorganisation fliegt sie nach Deutschland, eine Notoperation rettet ihr Leben.
Mit acht wird sie von einer österreichischen Familie adoptiert, hat nun zwei Mamas. Eine in Österreich, eine in Afghanistan. Die Sorge um die Familie in Kabul wird Masomahs gesamtes Leben bestimmen. Seit die Taliban im Sommer 2021 die Macht übernommen haben, kreisen all ihre Gedanken darum, „Freunde und Familie rauszuholen. Manche Politiker wollten abwarten und die Taliban an ihren Taten messen. Wie zynisch! Die Taliban haben rhetorisch dazugelernt und wissen die sozialen Medien für sich zu nützen. Doch sie haben das Mittelalter zurückgebracht. Sie sperren Frauen aus dem öffentlichen Leben aus und lassen Mädchen nicht in die Schule. Sie verkündeten Frieden, können oder wollen aber nicht für Sicherheit aller sorgen. Kinder, Mütter, Betende und Feiernde der Hazara-Volksgruppe werden besonders oft Ziel von verheerenden Anschlägen.“
Ihre erste Heimat bedeutet für Masomah Regl vor allem Verantwortung. Tatkräftige Hilfe und Unterstützung für Afghanen ist immer schwieriger zu bekommen. Aufgeben? „Diese Option besteht nicht. Wenn man der einzige Hoffnungsschimmer für andere Menschen ist, kann man nicht aufgeben. Ich habe Übung darin, jeden Tag von Neuem zu beginnen.“
Dieses Porträt erschien in der von der Künstlerin Soli Kiani gestalteten KURIER-Ausgabe über Frauen-, Menschenrechte und Pressefreiheit.
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