Vor drei Jahren bemühte er sich um einen neuen Karriereschritt und bewarb sich um eine Nominierung der Republikaner als Präsidentschaftskandidat, erreichte bei der parteiinternen Abstimmung aber nur den dritten Platz. Galt er bis dahin als konsensorientierter Mann der Mitte, so überraschte er damals mit harten Vorschlägen wie einem drei- bis fünfjährigen "Moratorium" über die Immigration, also einen Einwanderungs-Stopp.
Noch Mittwochabend findet die offizielle Amtsübergabe zwischen dem 35 Jahre alten Gabriel Attal und dem fast 40 Jahre älteren Barnier statt – dem bislang jüngsten und dem nunmehr ältesten Premierminister der Fünften Republik seit 1958. "In einem Wort: Danke. Das Band zwischen uns ist das Wertvollste, was ich habe", wandte sich Attal auf X an seine Anhänger "Zählt auf mich, um es weiter zu knüpfen."
Attal, der den Fraktionsvorsitz der Macron-Partei übernommen hat und auch die Parteiführung anstrebt, war erst seit Januar im Amt – zuletzt nur noch geschäftsführend, seit die Regierung in der Folge der Parlamentswahlen vor fast zwei Monaten zurückgetreten war. Macrons Lager hatte erhebliche Stimmenverluste erlitten und lag zwar noch vor dem rechtsextremen Rassemblement National (RN), aber hinter dem links-grünen Bündnis "Neue Volksfront" (Nouveau Front Populaire) aus Sozialisten, Linkspartei LFI, Grünen und Kommunisten.
Es scheiterte am Streitpunkt Pensionsreform
Als Allianz mit den meisten Sitzen in der Nationalversammlung pochte diese darauf, den Schlüsselposten des Regierungschefs zu stellen, und hatte sich auf die 37-jährige Finanzbeamtin Lucie Castets als gemeinsame Kandidatin geeinigt. Doch Macron wies diese Ambitionen zurück, weil dem Bündnis fast 100 Sitze für eine absolute Mehrheit fehlten, aber auch aufgrund deren Forderungen von der Rücknahme der umstrittenen Pensionsreform über die Anhebung des Mindestlohns bis zu Steuererhöhungen für die Reicheren.
Macron hatte seinem Umfeld zufolge als Bedingung vorgegeben, dass nicht "zerstört wird, was wir erreicht haben", darunter die Pensionsreform – und es ging ihm darum, eine Persönlichkeit zu finden, gegen die nicht sofort ein erfolgreicher Misstrauensantrag durch eine Mehrheit der Abgeordneten gestellt würde. Die Aufteilung der Nationalversammlung in drei große politische Blöcke machte die Aufgabe fast unmöglich. Den Ausschlag für Barnier hatte die Zusicherung der RN-Fraktionschefin Marine Le Pen gegeben, diesen nicht unmittelbar zu stürzen. Denn der 73-Jährige respektiere "die verschiedenen politischen Kräfte", auch den RN, erklärte sie.
Parteichef Jordan Bardella ergänzte, die Unterstützung Barniers hänge aber weiter von den künftigen Gesetzesprojekt ab. Barniers rechts-konvservative Partei ist zwar im Senat, dem Oberhaus des französischen Parlaments, in der Mehrheit, verfügt in der Nationalversammlung aber nur noch über 47 der 589 Sitze.
Linke: "Gestohlene Wahl"
Die LFI-Führungsfigur Jean-Luc Mélenchon beklagte die "gestohlene Wahl". Seit mehreren Tagen ruft seine Partei zu Demonstrationen gegen Macrons Vorgehen am kommenden Samstag auf. Mélenchon kündigte ein Misstrauensvotum gegen Barnier an, doch ohne die Stimmen der Rechtsextremen erscheint dieses chancenlos – zumindest vorerst.
Zu den ersten schweren Herausforderungen für die künftige Regierung gehört die Vorstellung eines Haushaltsgesetzes für das nächste Jahr. Das Defizit droht in diesem Jahr noch höher auszufallen als geplant und könnte 5,6 Prozent der Neuverschuldung betragen. Die notwendigen Milliardeneinsparungen werden damit zur ersten Bewährungsprobe für den neuen französischen Premierminister, der in den nächsten Tagen seine Regierungserklärung abgeben wird.
Kommentare