Flüchtlinge: Deutsche befürchten Kriminalitätsanstieg

Polizei zu Silvester in Stuttgart.
Bereits über 500 Strafanzeigen aus Kölner Silvesternacht. FDP-Chef: Deutschland droht Vertrauenskrise.

Fast 60 Prozent der Deutschen befürchten wegen des großen Flüchtlingsandrangs einen Anstieg der Kriminalität. In einer am Sonntag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag des TV-Senders RTL äußerten sich 57 Prozent der Befragten besorgt, 40 Prozent widersprachen dieser These.

Die Furcht vor mehr Kriminalität ist demnach vor allem unter älteren Bundesbürgern verbreitet. In der Gruppe der unter 30-Jährigen lag der Anteil bei lediglich 41 Prozent.

Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und in anderen Städten änderten der Umfrage zufolge 37 Prozent der Befragten ihre Einschätzung zu Ausländern. Diese sei nun kritischer und negativer, hieß es. Die Mehrheit (60 Prozent) gab jedoch an, ihr Bild habe sich nicht geändert.

In der Neujahrsnacht hatten Männergruppen am Kölner Hauptbahnhof sowie in Stuttgart und Hamburg zahlreiche Diebstähle sowie sexuelle Übergriffe auf Frauen verübt. Die meisten Verdächtigen stammen nach derzeitigem Ermittlungsstand aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum.

In der RTL Aktuell-Umfrage wurden auch Frauen nach ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl in ihrer Stadt oder Gemeinde befragt. Die große Mehrheit von ihnen fühlt sich demnach weiterhin sehr sicher (28 Prozent) oder sicher (59 Prozent). An der Umfrage nahmen nach Angaben von RTL 1.002 Bundesbürger teil.

FDP-Chef: Deutschland droht Vertrauenskrise

Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und der Hilflosigkeit der deutschen Polizei dabei wächst die Sorge, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat Schaden nehmen könnte. "Falsche Rücksichtnahmen und mangelhafte Ausstattung rauben dem Staat seine Durchsetzungsfähigkeit", sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner der Deutschen Presse-Agentur.

Flüchtlinge: Deutsche befürchten Kriminalitätsanstieg
epa04749511 Free Liberals (FDP) federal chairman Christian Lindner delivers a speech at the FDP federal conference in Berlin, Germany, 15 May 2015. The conference focusses on the election of a new party committee and federal party chairmanship. EPA/BERND VON JUTRCZENKA

"An vielen Stellen hat Deutschland keine Probleme der Gesetzgebung, sondern des Vollzugs von Gesetzen." Wenn das sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einräume, "dann droht eine Vertrauenskrise", sagte der FDP-Chef und bekräftigte: "Die Menschen müssen sich in jeder Ecke unseres Landes auf die öffentliche Ordnung verlassen können. Wer rechtsfreie Räume toleriert, der leistet der Freiheit einen schlechten Dienst."

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Saarlands Ressortchef Klaus Bouillon, warnte, eine Wiederholung dieser Vorgänge hätte schwerwiegende Folgen. "Wenn noch einmal so ein Vorfall vorkommt, bin ich sicher, dann ist das Vertrauen in unseren Rechtsstaat ernsthaft erschüttert", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. "Und dann gewinnen diejenigen die Oberhand, die permanent die Ängste schüren."

Verschärfung der Asylgesetze

Als Reaktion auf die Kölner Angriffe auf Frauen zeichnet sich eine Verschärfung der Asylgesetze ab. "Das, was in der Silvesternacht passiert ist, das sind widerwärtige kriminelle Taten, die auch nach entschiedenen Antworten verlangen", sagte die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel am Samstag nach einer Klausur der Parteispitze in Mainz. Änderungen seien "im Interesse der Bürger, aber genauso im Interesse der großen Mehrheit der Flüchtlinge".

Merkel erklärte, das Recht auf Asylverfahren könne verwirkt werden, wenn Strafen ausgesprochen würden - auch schon auf Bewährung. Die CDU-Spitze beschloss dazu eine "Mainzer Erklärung". Darin geht es unter anderem um ein härteres Vorgehen gegen kriminell gewordene Ausländer und die Einführung der "Schleierfahndung", also verdachtsunabhängige Personenkontrollen.

Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich offen für ein schärferes Vorgehen gegen straffällige Migranten. "Ich werde jetzt gemeinsam mit dem Innenminister noch einmal prüfen, ob unsere Möglichkeiten ausreichen, um Kriminelle zurückzuschicken", sagte er der Bild am Sonntag. "Wenn nicht, werden wir Vorschläge machen. Gerade zum Schutz der vielen Flüchtlinge, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, müssen wir alle Straftäter konsequent zur Rechenschaft ziehen. Niemand darf sich bei uns über Recht und Gesetz stellen."

Kritische Gegenstimmen

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) kritisierte dagegen die CDU-Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen kriminelle Ausländer als Symbolpolitik. "Unsere aktuellen Gesetze sind in den meisten Fällen vollkommen ausreichend - sie müssen nur konsequent umgesetzt werden", teilte er am Samstag mit. "Pauschale Rufe nach Strafverschärfungen und symbolische Gesetzgebung helfen nur bedingt weiter."

Kritik kommt auch von den Grünen. "Diese Schnellschüsse sind unaufrichtig und schüren weiter Ressentiments und rechte Hetze gegen Flüchtlinge", sagte die Bundesvorsitzende Simone Peter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Mittlerweile über 500 Strafanzeigen

Nach Polizeiangaben vom Sonntag stieg unterdessen die Zahl der Strafanzeigen wegen der Vorfälle in Köln an Silvester drastisch auf 516 an. In etwa 40 Prozent dieser Fälle ermitteln die Kriminalbeamten unter anderem wegen Sexualstraftaten.

Im Fokus der Ermittlungen stünden Verdächtige "größtenteils aus nordafrikanischen Ländern", erklärte die Kölner Polizei. Ein marokkanischer Verdächtiger wurde laut Polizei am Samstagabend in Gütersloh festgenommen. Der 19-Jährige, der der Polizei seit 2013 wegen verschiedener Delikte bekannt ist, konnte demnach mit einem in der Silvesternacht gestohlenen Handy in Zusammenhang gebracht werden.

Die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ermunterte Opfer zur Anzeige von Straftaten: "Ich möchte jeder Frau Mut machen, Übergriffe konsequenter zur Anzeige zu bringen", erklärte sie am Sonntag.

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