Flucht aus Afrika vor Krieg, Hunger, Armut

Millionen sind unterwegs, viele davon in Richtung Europa. Der EU-Gipfel mit afrikanischen Staaten steht ganz unter dem Eindruck der Migrationsbewegungen.

Zwei Parlamente, zwei Regierungen, zwei Zentralbanken, dazu Dutzende verfeindete Milizen – und ein Ableger der Terrormiliz "Islamischer Staat": Vier Jahre nach dem Sturz von Langzeit-Diktator Muammar al-Gaddafi ist Libyen ein "failed state", ein gescheiterter Staat. Und nach wie vor einer der Hauptausgangspunkte für Flüchtlinge für ihre gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa.

Anas, ein Ex-Kämpfer gegen das Gaddafi-Regime, heute ein Anhänger der islamistischen Regierung in Tripolis, zum KURIER: "Es kommen nicht mehr Leute aus dem Süden als bisher schon." Die Behörden würden versuchen, die allermeisten schon in der Wüste abzufangen. Was dann mit ihnen passiert? "Die werden wohl zur Umkehr gezwungen."

Eine Million Menschen

Dennoch sollen sich Berichten zu Folge eine Million Menschen in der Region drängen, die nach Italien übersetzen wollten. Denn in zahlreichen afrikanischen Staaten gibt es blutige Konflikte, insgesamt befinden sich südlich der Sahara laut UN-Angaben 15 Millionen Menschen auf der Flucht.

Um diese potenziellen Migranten geht es heute, Mittwoch, und am Donnerstag bei dem großen EU-Afrika-Gipfel auf der Mittelmeerinsel Malta. Ziel: Der Nachbar-Kontinent im Süden soll als Partner in der Flüchtlingskrise gewonnen werden.

Flucht aus Afrika vor Krieg, Hunger, Armut

"Aktionsplan"

Der "Aktionsplan", der beschlossen werden soll, folgt im Wesentlichen dem Motto "More for More". Wer also mehr kooperiert, soll mehr Geld erhalten. Österreich, das in La Valetta durch Kanzler Werner Faymann vertreten ist, stockt seine Mittel dafür kräftig auf:Bis Ende 2016 sollen 26 Millionen Euro in den Syrien-Fonds, in einschlägige UN-Organisationen und in den Afrika-Fonds fließen.

Die Mittel sollen in klassische Entwicklungshilfe gesteckt werden; für Investitionen herangezogen werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, damit neue Jobs entstehen; und auch den Aufbau effizienter staatlicher Strukturen ermöglichen . Zudem sollen legale Einreisemöglichkeiten in die EU für Geschäftsleute und Stipendiaten geschaffen werden. Umgekehrt sollen sich die afrikanischen Staaten verpflichten, dafür zu sorgen, dass weniger Menschen die jeweiligen Länder verlassen, und abgeschobene Migranten wieder aufgenommen werden.

Hehre Ziele, doch die Realität schaut oft ganz anders aus.

Die Situation in den einzelnen Staaten Afrikas

Eritrea
Das autoritäre Regime treibt viele Menschen in die Flucht. Von allen Migranten aus Afrika stellen sie in der EU die größte Gruppe.

Somalia
In dem Land am Horn von Afrika ist eine Million Menschen wegen der anhaltenden Gewalt, aber auch wegen Hungers in die Nachbarländer geflohen. In Somalia bekämpfen einander Regierungstruppen und Kämpfer der Islamisten-Miliz Al Shabaab.

Südsudan
In dem jüngsten Staat der Welt (unabhängig seit 2011) liefern sich seit nahezu zwei Jahren die Armee von Präsident Salva Kiir und die Milizen seines früheren Stellvertreters, Riek Machar, blutige Kämpfe um die Macht. Fast 2,5 Millionen Südsudanesen wurden vertrieben.

Nigeria
Das bevölkerungsreichste Land Afrikas wird vor allem im Norden terrorisiert von der Extremisten-Organisation Boko Haram. Auch dort sind 2,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Doch in Nigeria tragen sich laut einer Gallup-Umfrage 40 Prozent der 175 Millionen Einwohner mit dem Gedanken, die Heimat zu verlassen – wenn man ihnen dafür die Möglichkeit böte.

Tschad, Kamerun, Niger
Auch die Nachbarländer Nigerias leiden unter dem Terror von Boko Haram – denn die Dschihadisten, die einen grenzüberschreitenden islamischen Gottesstaat errichten wollen, schlagen auch in diesen Staaten gnadenlos zu. Viele Menschen sind auf der Flucht. Im Tschad wurde wegen der wachsenden Bedrohung zu Wochenbeginn in der Grenzregion zu Nigeria der Notstand ausgerufen.

Kongo
Im Osten des Landes tobt seit fast 20 Jahren ein blutiger Bürgerkrieg um die reichen Bodenschätze der Region. Die Zivilbevölkerung kommt bei den Gefechten zwischen Warlords, Stammesmilizen und der oft korrupten reguläre Armee zwischen die Fronten. Drei Millionen Menschen mussten ihre Dörfer verlassen.

In seinem Buch "Der schwarze Tiger" (Köselverlag 2015, 208 Seiten, 18,50 Euro) entfaltet der Volkswirt zum Afrika-Bild der Armut, Krankheiten, Katastrophen und Kriege ein diametral entgegengesetztes: Anhand persönlicher Erlebnisse und ökonomischer Fakten beschreibt er den Kontinent vor der Haustür Europas als einen mit viel Zukunftspotenzial.

Die Wirtschaft wachse schneller als in den meisten übrigen Weltgegenden. China, Indien, Brasilien hätten das Potenzial erkannt; Europa drohe ins Hintertreffen zu geraten. Wichtig seien Dialog auf Augenhöhe und Investitionen. Das verringere die Armut, die Menschen kämen gar nicht auf die Idee, ihre Heimat zu verlassen.

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