Und die gibt sie dem 78-Jährigen seit mehr als 40 Jahren, nicht nur auf der Bühne, sondern auch in schwierigen und tragischen Momenten. Als seine erste Präsidentschaftskampagne 1988 nach einer Serie an Ausrutschern ins Schlingern geriet, machte sie die Luken dicht, wie sie sich selbst im Magazin Time erinnert: „Alle warteten darauf, dass die ersten Risse in unserem Team auftauchten. Wir fühlten uns ständig unter Beobachtung – aber ich weigerte mich, Schwäche zu zeigen.“
Schwäche zu zeigen, das sei in ihrer Familie nicht üblich gewesen, erzählt die First Lady. Ihre Mutter habe nicht einmal bei der Beerdigung ihrer Eltern geweint: „Ich habe diese stoische Haltung immer als Stärke gesehen – und ich wollte auch diese Stärke haben, mehr alles andere.“
Sie geschieden, er verwitwet
An der Seite von Joe Biden war diese Stärke sehr rasch sehr notwendig. Schon der Anfang dieser Beziehung war nicht gerade ein typischer Honeymoon. Jill Biden war frisch von einem Football-Spieler geschieden und trieb ihr Anglistik-Studium voran. Dass die Studentin Joe Biden kennenlernte, der damals, 1975, schon US-Senator war, war kein Zufall, sondern ein von Bidens Bruder organisiertes Blind Date. Biden hatte einen schweren Schicksalsschlag hinter sich. Seine Frau Neilia und seine kleine Tochter Naomi waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die beiden Söhne Hunter und Beau hatten überlebt und wurden vom Vater künftig alleine aufgezogen.
Ein Witwer und Karrierepolitiker mit zwei Kindern und zehn Jahre älter als sie: Jill wusste, welche schwerwiegende Entscheidung sie da zu fällen hatte. Sie ließ sich lange bitten. Fünfmal musste Biden ihr einen Antrag machen, bis sie Ja sagte.
Doch als sie es tat, war sie bereit, ihr Leben für ihren Mann auf den Kopf zu stellen. Sie brach ihr Studium ab, um zwei Kinder großzuziehen, die nicht ihre waren. Bald kam die gemeinsame Tochter Ashley zur Welt. „Sie hat mir mein Leben zurückgegeben“, meinte Joe später: „Dank ihr konnte ich wieder glauben, dass meine Familie eines Tages wieder ganz sein könnte.“
Sie wurde es – und sie ist es bis heute, 40 Jahre danach. Der mühsame Start in die gemeinsame Zukunft sollte nicht die einzige existenzielle Herausforderung sein, die Joe und Jill zu bewältigen hatten. Da waren nicht nur seine mehrmaligen Niederlagen beim Versuch, eine Präsidentschaftskandidatur zu starten, sondern auch schwere gesundheitliche Krisen wie etwa ein lebensbedrohliches Aneurysma von zwei Blutgefäßen im Gehirn 1988. 2015 schließlich starb Sohn Beau an einem Gehirntumor.
Dass die Bidens all das überstanden haben, liege wohl an ihren so unterschiedlichen Temperamenten, die sich perfekt ergänzten, meint Jill: „Er holt mich aus meinem Schutzpanzer heraus, und ich sorge dafür, dass er auf dem Boden bleibt.“
Was Joe aus diesen Schicksalsschlägen mitgenommen hat, ist laut Vertrauten vor allem ein ausgeprägtes Mitgefühl für das Leiden und die Probleme anderer Menschen. Seine menschlich stärksten Momente seien die, wenn er mitten im politischen Trubel innehalte, um sich für ein paar Augenblicke Bürgern zu widmen, die mit diesen Problemen zu ihm kommen.
„Es ist dieses Mitgefühl, das ihn antreibt“, erzählt ein langjähriger Vertrauter der Washington Post über den Präsidenten: „Es könnte wohl kaum einen größeren Gegensatz zu Trump geben als ihn.“
Die andere Stärke Bidens sei sein Durchhaltevermögen. In einer Welt, in der es meist um den raschen Erfolg geht, habe er immer auf die langfristigen Pläne gesetzt. Eines Tages Präsident zu werden, das war immer schon sein Ziel. Dass er dafür 78 werden musste, damit hat Biden wohl nicht gerechnet. Nur gemeinsam hätten Jill und er den Langmut dafür aufgebracht, meint der Vertraute. Jill Biden wiederum hat dafür eine viel einfachere Erklärung: „In meinem Leben hat sich eine Sache nie geändert. Joe und ich, wir haben immer einander gehabt.“
Kommentare