Feuer-Apokalypse zeigt, wie sehr wir den Regenwald am Amazonas brauchen
Der Regenwald des Amazonas wird in rasendem Tempo ein Opfer der Flammen. Die Gier nach Edelhölzern und frisch gerodeten Ackerflächen lässt die Lage außer Kontrolle geraten.
Im Hintergrund ist die Flammenwalze zu sehen, im Vordergrund eine völlig verzweifelte Frau: „Schau dir das an, was sie mit unserem Reservat gemacht haben. Seit zwei Jahren kämpfen wir für die Erhaltung unserer Gebiete, und diese Arschlöcher sind trotzdem gekommen und haben alles niedergebrannt. Damit nicht genug, töten sie auch noch unsere Flüsse, die Quelle unseres Lebens.“
Dieses aufwühlende Video, das sich im Internet viral verbreitet, komprimiert in erschütternder Art und Weise, was sich seit mehr als drei Wochen im brasilianischen Amazonas-Regenwald abspielt. Fast 80.000 Brände fressen sich heuer mehr und mehr in die Grüne Lunge der Welt, wie auch CNN berichtet:
Sogar aus dem All sind die kilometerlangen Rauchschwaden zu erkennen, die es bis in die 2.000 Kilometer entfernte (!) Megacity São Paulo (mit rund 15 Millionen Einwohnern) geschafft haben. Dort fiel schwarzer Regen vom verdunkelten Himmel. Ein wahrlich apokalyptisches Szenario. Schwere Brände gibt es zudem im benachbarten Paraguay und Bolivien.
Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro wischte anfänglich die verheerende Katastrophe für die Natur einfach weg: Es sei eben jetzt die Zeit der Queimada (der Brände). Tatsächlich herrscht in der Region aktuell die Trockenzeit, in der Feuersbrünste keine Seltenheit sind.
Allerdings sind die meisten Brände bewusst gelegt. Und: So schlimm wie heuer war es noch nie. Das musste jetzt auch Bolsonaro – bei seinen Gegnern wird er „Kapitän Kettensäge“ genannt – anerkennen. Noch am Freitag wollte er Soldaten in Marsch setzen, die helfen sollen, der Feuersbrunst Herr zu werden.
Außer Kontrolle
Die Lage ist inzwischen in vielen Fällen außer Kontrolle, auch deswegen, weil die meisten Gebiete kaum zugänglich sind. Weil im wahrsten Sinn des Wortes Feuer am Dach ist, wollen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Causa auch auf dem heute beginnenden G7-Gipfel in Frankreich auf die Agenda bringen.
Der Hauptgrund für die tausenden Brände ist laut Experten die vorangegangene aggressive Abholzung der (zum Teil kostbaren) Hölzer. Dadurch würden die Böden trocken, weil weniger Regen fällt. Weitere Brandrodungen würden ihr Übriges tun.
Allein im heurigen Juli wurden um fast 300 Prozent mehr Flächen abgefackelt als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Dabei wurde die Grüne Lunge des Planeten, die 20 Prozent des global verfügbaren Sauerstoffs produziert, bereits in den vergangenen Jahrzehnten arg verstümmelt: Insgesamt ein Fünftel des brasilianischen Anteils an dem weltweit größten zusammenhängenden Waldgebiet fiel den Kettensägen zum Opfer.
Brachiale Rhetorik
Die Brandrodungen der vergangenen Monate wurden, da sind sich die meisten Experten sicher, von der brachialen Rhetorik Bolsonaros befeuert. Dieser hatte nach seiner Amtseinführung zu Jahresbeginn sein Wahlkampfversprechen umgesetzt: die maximale Nutzung der Amazonas-Ressourcen für die heimische Wirtschaft.
Unternehmer und Farmer werteten dies als Freibrief für den massiven Kahlschlag. Am 10. August riefen Großgrundbesitzer im brasilianischen Bundesstaat Para zum „Tag des Feuers“ auf. Ihr zynischer Slogan: „Wir wollen dem Präsidenten zeigen, dass wir arbeiten wollen.“
Genützt werden die frei werdenden Flächen primär für Viehzucht und Ackerbau. Vor allem Soja wird gepflanzt, das nach der Ernte dann unter anderem auch in den Trögen heimischer Schweinezüchter landet.
„Untragbare Situation“
Und Schonung gibt es für nichts und niemandem. Selbst ausgewiesene Gebiete für Indigene, über die sich Bolsonaro ebenso wie über Homosexuelle und Schwarze bereits im Wahlkampf verächtlich geäußert hat, werden niedergebrannt.
„Die Situation ist nicht mehr tragbar“, sagte der aus Vorarlberg stammende Bischof Erwin Kräutler im Vormonat zum KURIER. Seit Bolsonaro sei alles noch viel schlimmer geworden, führte der Geistliche aus, der sich seit 1965 im Amazonas für die indigene Bevölkerung und die Erhaltung der Umwelt einsetzt. Und dafür immer wieder mit dem Tod bedroht wird, einem Attentat auf ihn im Jahr 1987 entging er knapp, ein Mitstreiter wurde getötet.
Kräutlers Bilanz nach fast 55 Jahren Amazonas-Erfahrung: „Amazonien wurde in Brasilien immer schon als eine Provinz gesehen, aus der man alles holen kann und die selbst nichts braucht.“
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