Dass ein Bundesrichter auf der Basis von FBI-Informationen grünes Licht für eine Hausdurchsuchung bei einem ehemaligen Präsidenten gibt, hat es nach Angaben von Historikern in der über 230-jährigen amerikanischen Geschichte noch nicht gegeben.
„Es muss klare Indizien für eine mögliche Straftat gegeben haben”, sagten mehrere Ex-Richter und Ex-FBI-Offizielle im US-Fernsehen, „sonst wäre dieser drastische und politisch explosive Schritt, der auch eine Vertuschung verhindern soll, nie genehmigt worden.”
Hintergrund: Das für die Aufbewahrung jedweder Präsidial-Korrespondenz zuständige National-Archiv hatte bereits im Februar den Kongress darüber informiert, dass es rund 15 Kisten mit Dokumenten des Weißen Hauses in Trumps Privat-Residenz sichergestellt hatte und weitere Unterlagen in dessen Besitz vermutet.
Briefe von Nordkoreas Diktator
Dabei habe es sich neben Briefen von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Vorgänger Barack Obama auch um geheim eingestuftes Material gehandelt. Im April startete das Justizministerium darum eine entsprechende Untersuchung. Auch in dem Bewusstsein, dass Trump über Monate hinweg mit Hilfe von Anwälten versucht hatte, Unterlagen unter Verschluss zu halten, die etwa Aufschluss über die von ihm inspirierte blutige Erstürmung des Kapitols am 6. Jänner 2021 geben könnten. Der Ex-Staatschef berief sich dabei kategorisch auf das exekutive Privileg eines Präsidenten. Mehrere Gerichte, bis hin zum Supreme Court, riefen ihn zur Räson.
Trump stilisierte sich nach dem von ihm als „Besetzung" und „Belagerung” beschriebenen Besuch des FBI, über den er im fernen New York unterrichtet worden war, umgehend als Opfer eines politischen Attentats. „Das ist ein Fehlverhalten der Strafverfolgungsbehörden, der Einsatz des Justiz-Systems als Waffe und ein Angriff der linksradikalen Demokraten, die verzweifelt nicht wollen, dass ich 2024 für das Präsidentenamt kandidiere”, formulierte Trump auf der von ihm initiierten Online-Plattform „Truth Social”.
Bei der „Razzia”, die völlig unverhältnismäßig gewesen sei, weil er mit zuständigen Regierungsbehörden längst kooperiert habe, sei auch sein Privat-Safe „aufgebrochen” worden. Was Trump darin aufbewahrt hatte, sagte er nicht.
Weil weder das FBI mit dem von Trump berufenen Direktor Christopher Wray an der Spitze noch das in solchen hochrangigen Fällen automatisch beteiligte Justizministerium unter Minister Merrick Garland (nominiert von Präsident Joe Biden) zu Hintergründen sowie Art und Umfang des Durchsuchungsbefehls Stellung nehmen wollten, schossen vor allem in Trump-freundlichen Medien Spekulationen ins Kraut.
Danach soll dem gerade erst bei einer wichtigen Veranstaltung der Konservativen (CPAC) zum unangefochtenen Liebling der republikanischen Wählerschaft gekürten Trump eine von ihm bereits angedeutete Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 offensichtlich verunmöglicht werden. Dies wäre tatsächlich der Fall, würde Trump wegen Dokumenten-Hinterziehung angeklagt und rechtskräftig verurteilt werden. Das würde ihn für eine erneute Bewerbung um das höchste Staatsamt final disqualifizieren.
Entsprechend hitzig lief die Diskussion in konservativen Kreisen. Kevin McCarthy, der ranghöchste Republikaner im Repräsentantenhaus, sprach von einer „nicht hinnehmbaren Politisierung” des Justizministeriums und drohte Minister Garland mit einer akribischen Befragung, falls seine Partei bei den Wahlen im Herbst die Mehrheit erringen sollte. Trumps ehemaliger Strategie-Berater Steve Bannon bezeichnete das FBI (in Anlehnung an Nazi-Deutschland und Hitler) als „Gestapo”.
Aufrufe zur Gewalt
In sozialen Medien war unter anderem von „FBI-Terroristen” die Rede. Das Justizministerium wurde als „Bedrohung für das freie Amerika” charakterisiert. Für Patrioten sei der einmalige Vorgang in Mar-a-Lago ein „Ruf zu den Waffen”. Der Trump inzwischen ambivalent begegnende Kabelsender "Fox News" ließ reihenweise ehemalige Trump-Mitstreiter zu Wort kommen, die Amerika empört mit der „Dritten Welt” und einer „Bananenrepublik” gleichsetzten, in der die herrschende Partei den mutmaßlichen Favoriten der Opposition für die nächste Präsidentschaftswahl zerstören wolle.
Unterdessen ließ das Weiße Haus erklären, dass man vorab nichts von dem FBI-Einsatz gewusst habe.
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