Exodus, Flügelkämpfe, unbeliebt: US-Demokraten in der Krise
Joe Biden hat etwas mit Donald Trump gemeinsam: Ihre Beliebtheits- beziehungsweise Unbeliebtheitswerte als US-Präsidenten sind ein Jahr nach Amtsantritt ähnlich niedrig, beziehungsweise ähnlich hoch – womit beide um den traurigen Rekord rittern, der unbeliebteste US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg zu sein. Noch liegt Biden mit 41,8 Prozent hauchdünn vor Trump, doch die Prognosen sehen nicht gut für ihn aus. Die Inflation steigt dramatisch an (sieben Prozent), im Süden hält der Migrationsdruck an: 1,7 Millionen Einwanderungsversuche registrierten die US-Behörden im vergangenen Jahr.
Da kommt es Biden ungelegen, dass er die kommenden Zwischenwahlen im Herbst mit zum Teil neuem Personal bestreiten muss: 29 demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses werden nicht mehr antreten – es dürften noch mehr werden. Während sich einige aufgrund ihres Alters zurückziehen, scheint es bei anderen die Angst vor der zu erwartenden "roten Welle" zu sein. Die Republikaner dürften Prognosen zufolge bei den Wahlen am 8. November die Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen.
221 der 435 befinden sich derzeit unter Kontrolle der Demokraten – doch angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen sieht es nicht nach einem Sieg der Präsidentenpartei aus. Zudem haben die Republikaner in einigen Staaten die Wahlkreise demokratischer Kandidaten so gezogen, dass deren Aussicht auf einen Sieg äußerst gering ist. "Es ist ein Zeichen dafür, dass die Demokraten sehen, was kommen wird", sagte Tom Emmer, Chef des Nationalen Republikanischen Kongresskomitees gegenüber Fox News. Die "Grand old Party" geht siegessicher in den Wahlkampf – und eine weitere Entwicklung dürfte ihr dabei nützen: Neben Resignation vor dem politischen Klima sind Frust und Streitigkeiten in der eigenen Partei weitere Gründe für die Entscheidungen der Demokraten, ihre Laufbahn zu beenden.
Nachrücken dürften vor allem junge Demokraten aus dem linken Lager, das in einigen Fragen mit Joe Biden, aber auch dem "moderaten" Flügel der Partei über Kreuz liegt. Das wurde etwa beim derzeit auf Eis gelegtem Infrastrukturpaket "Build Back Better" deutlich: Joe Manchin, einer der konservativsten Demokraten im US-Senat, blockiert derzeit dessen Umsetzung. Um Manchins Zustimmung zu erkaufen, wurde der Umfang des Pakets bereits von 3,5 auf 1,75 Billionen Dollar gesenkt.
Indes fordern linke Demokraten rund um die Abgeordnete zum Repräsentantenhaus, Alexandria Ocasio-Cortez, mehr staatliche Mittel. Hoffnungen, diese Flügelkämpfe zumindest nicht weiter eskalieren zu lassen, ruhen auf der 81 Jahre alten Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Zwar werden auch gegen sie immer wieder Forderungen aus dem linken Flügel laut, ihre Aufgabe einer jüngeren Person zu übertragen. Doch die Demokraten wissen auch, dass es Pelosi ist, die es derzeit schafft, neben den internen Streitigkeiten einen Fokus auf den politischen Kampf gegen die Republikaner zu lenken. Und diese sind derzeit mit großer Mehrheit auf den Ex-Präsidenten eingeschworen.
13 Abgeordnete der Trump-Partei werden im Herbst nicht mehr antreten, ein Großteil wird sich für höhere Ämter – etwa den Senat – bewerben. Andere, wie etwa John Katko, der nach dem Sturm aufs Kapitol für eine Amtsenthebung Trumps gestimmt hatte, werfen das Handtuch.
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