Ex-EZB-Chef Draghi mit Regierungsbildung in Italien beauftragt
Am Ende gescheiterter Verhandlungen über eine neue Regierung um den vergangene Woche zurückgetretenen Premier Giuseppe Conte hat der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella am Mittwoch den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit der Regierungsbildung beauftragt. Der 73-jährige Draghi nahm Mattarellas Auftrag bedingt an, wie der Generalsekretär im Quirinal, Ugo Zampetti, mitteilte.
Draghi muss nun prüfen, ob er eine Mehrheit auf die Beine stellen kann. Mattarella führte ein 95 Minuten langes Gespräch mit ihm, bevor er ihm den Regierungsauftrag erteilte.
Der gebürtige Römer muss sich auf Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung gefasst machen. Die beiden stärksten Einzelparteien im italienischen Parlament - die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Lega - sehen Draghis Vorhaben, ein Fachleutekabinett zu bilden, mit Skepsis. Seit der Regierung von Mario Monti (2011-2013), die Italien eine strenge Sparpolitik aufgezwungen hatte, sind Fachleutekabinette im Land durchaus unpopulär.
Der 73-jährige Draghi droht die politischen Bündnisse in Italien zu spalten. Während ein Großteil der Fünf-Sterne-Bewegung ein Einheitskabinett unter der Führung von "Super Mario" entschieden ablehnt, sind ihre bisherigen sozialdemokratischen Verbündeten bereit, eine Regierung Draghi zu unterstützen. Auch die oppositionelle Mitte-Rechts-Allianz ist gespalten. Während die postfaschistische Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) auf Neuwahlen drängt, will die Forza Italia um den viermaligen Regierungschef Silvio Berlusconi einem möglichen Kabinett Draghi beitreten. Die Lega wartet auf das Regierungsprogramm Draghis, um zu entscheiden, ob sie die Fachleuteregierung unterstützen wird.
Die Kleinpartei Italia Viva, Auslöserin der Regierungskrise, betrachtet eine Regierung unter Draghi als "eine der besten Optionen für die Republik". Schließlich hatte ihr Parteigründer Matteo Renzi in den vergangenen Wochen geschickt manövriert, um den parteilosen Juristen Conte aus dem Premieramt zu drängen - in der Hoffnung, Draghi an die Spitze einer Allparteienregierung zu hieven. Schon seit Anfang der Regierungskrise vor drei Wochen hatte Italia Viva hinter den Kulissen die Fäden für ein Einheitskabinett gezogen, in dem die Partei eine entscheidende Rolle einzunehmen hofft.
Ob es wirklich zu einer "Regierung von hohem Profil" mit der Unterstützung eines breiten Parteienspektrums kommt, wie es sich Staatschef Mattarella wünscht, ist noch eine offene Frage. Fest steht, dass der diplomatisch versierte Draghi auf all sein Vermittlertalent zurückgreifen wird, um ein tragfähiges Kabinett zu bilden, das Italien in Zeiten der Pandemie und der akuten Wirtschaftskrise vorgezogene Parlamentswahlen erspart.
Die Mailänder Börse feierte die politischen Entwicklungen in Rom. Nachdem Mattarella am Dienstagabend angekündigt hatte, Draghi mit der Regierungsbildung zu beauftragen, kletterte der FTSE-MIB-Index am Mittwoch um 2,5 Prozent auf 22.615 Punkte. Vor allem die Bankaktien legten kräftig zu. So stieg das Papier der Bank-Austria-Mutter UniCredit um 6,8 Prozent, jenes des Konkurrenten Intesa Sanpaolo um 7,3 Prozent. Die Bank BPM verzeichnete einen Anstieg um sechs Prozent.
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