Evakuierung von Mariupol erneut gescheitert
In der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol ist eine Rettung von Zivilisten nach ukrainischen Regierungsangaben am Mittwoch erneut gescheitert. „Leider hat der humanitäre Korridor aus Mariupol heute nicht wie geplant funktioniert“, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk auf Telegram mit. Es habe keine Waffenruhe gegeben.
Besonders gespannt ist die Lage um das Stahlwerk Azovstal, in dem sich nach ukrainischen Angaben auch 1000 Zivilisten aufhalten. Die „unorganisierten Besatzer“ hätten es nicht geschafft, die Menschen rechtzeitig zu dem vereinbarten Punkt zu bringen, „wo unsere Busse und Krankenwagen warteten“, sagte Wereschtschuk.
Neuer Versuch am Donnerstag
An diesem Donnerstag solle es einen neuen Versuch geben, Menschen aus der umkämpften Hafenstadt ins Gebiet Saporischschja in Sicherheit zu bringen.
Die Ukraine ist nach Angaben ihres Chef-Unterhändlers Michailo Podoljak zu außerordentlichen Gesprächen ohne Vorbedingungen mit Russland in Mariupol bereit. Es könnten Zweier- oder Vierergespräche sein. „Damit unsere Burschen gerettet werden, das Asow-Regiment, das Militär, Zivilisten, Kinder, die Lebenden und die Verwundeten“, twittert Podoljak mit Blick auf die Kämpfe in der Hafenstadt.
Neuerliches Ultimatum am Nachmittag verstrichen
Das russische Verteidigungsministerium teilte am Abend mit, dass niemand über den Korridor das Stahlwerk verlassen habe. Die Kämpfer waren zuvor aufgefordert worden, die Waffen niederzulegen und sich in russische Gefangenschaft zu begeben. Das lehnen sie ab.
Die prorussischen Separatisten des Gebiets Donezk sprachen unterdessen davon, dass sich knapp 130 Zivilisten aus einem Wohngebiet am Rande des umkämpften Stahlwerks in Sicherheit bringen konnten.
„Der Feind setzt den Beschuss fort, daher können unsere Zivilisten das Territorium nicht sicher verlassen“, sagte der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, in einer Videobotschaft. Er rief den Gegner auf, die versprochene Feuerpause einzuhalten.
Stadt unter Dauer-Angriff
Mariupol ist seit Anfang März komplett von russischen Truppen eingeschlossen. Von den einst 440.000 Einwohner sollen sich noch mehr als 100.000 in der weitgehend zerstörten Stadt aufhalten. Mehrere Versuche, die weitgehend zerstörte Stadt zu evakuieren, waren gescheitert.
Das russische Militär beschoss nach eigenen Angaben in der Nacht auf Mittwoch 1.053 ukrainische Militärstandorte. Dabei seien 106 Geschützstellungen zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit.
In Kiew traf EU-Ratspräsident Charles Michel überraschend zu einem Besuch ein. Die russischen Streitkräfte versuchten in der Ostukraine, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, teilte der britische Militärgeheimdienst in einem neuen Lagebericht mit. Nach Angaben eines Beraters von Präsident Wolodymyr Selenskyj hätten ukrainische Truppen aber etwa den Vormarsch auf die Stadt Slowjansk gestoppt.
Waffenlieferung zugesprochen
Gerade angesichts der nun einsetzenden Materialschlacht in der Ostukraine hatten westliche Staaten wie die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich am Dienstag verabredet, der Ukraine auch schwerere Waffen zu liefern. Norwegen kündigte an, 100 Luftabwehrraketen vom Typ Mistral zu liefern. Die Waffen seien bereits verschifft worden, teilte das norwegische Verteidigungsministerium mit.
Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Sie weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Westliche Staaten sprechen hingegen von einem Angriffskrieg Russlands und Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Seit Beginn der russischen Invasion nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen mehr als fünf Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.
Kommentare