Europas mächtigste Frau - und trotzdem abseits im Herrenklub
Wenn die Mächtigsten der Welt einander treffen, gibt es keine Zufälle: Da wird schon monatelang davor bis ins kleinste Detail geplant, wer wem die Hand schüttelt, wie man sich für das historische Foto aufstellt und in welcher Abfolge über den Roten Teppich marschiert wird.
Und so war es kein Zufall, dass am Donnerstagmorgen ein freundlich lächelnder chinesischer Staatschef Xi Jinping die Stufen vor der Großen Halle des Volkes hinab schritt, um Frankreichs Präsident Emmanuel Macron höchstpersönlich zu begrüßen.
Und genau so wenig war es Zufall, dass der starke Mann Chinas dies für seinen zweiten wichtigen Gast des Tages, Ursula von der Leyen, eben nicht tat. Die Präsidentin der EU-Kommission musste kurz danach alleine die Treppen hochsteigen – begleitet nur von untergeordneten Protokollbeamten.
Schon bei der Ankunft im Reich der Mitte überraschten die Bilder: Da stieg Macron aus der Sondermaschine und wurde wärmstens von Chinas Außenminister Qin Gang empfangen. Für Ursula von der Leyen, aus einer Linienmaschine kommend, gab es bloß einen Händedruck vom protokollarisch weit unter ihr stehenden Umweltminister.
Und so ging es weiter: Macron beim Staatsbankett. Von der Leyen gar nicht dabei. Insgesamt sieben Stunden verbrachten der französische und der chinesische Staatschef miteinander. Für die mächtigste Frau Europas erübrigte Xi Jinping gerade mal ein Treffen.
Kühle Distanz
Ein kalkulierter, frauenfeindlicher Affront? Es war nicht Ursula von der Leyen, die Frau, der Peking die kühle Schulter zeigte. Vielmehr bekam sie als Repräsentantin der EU höchst unelegant zu spüren, wie China die EU sieht: nämlich als in Summe weniger ernst zu nehmend als deren wichtigste Mitglieder Frankreich und Deutschland.
Macron hatte lukrative Milliardenaufträge für China im Gepäck. Damit machte er sich mehr Freunde als die EU-Chefin, die wetterte: Europa werde sich von China unabhängiger machen und das Risiko gegenüber dem „Rivalen minimieren“. Und so dürfte Pekings Botschaft auch gewesen sein: Wer China kritisiert, hat nicht mit chinesischer Herzlichkeit zu rechnen.
„Sofagate“
Weitaus härter als die kühle Zurückweisung in Peking dürfte die EU-Kommissionschefin ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan in Ankara getroffen haben. Da gab es nur für Ratspräsidenten Charles Michel einen Sessel neben Erdoğan. Für die Kommissionspräsidentin blieb kein Sitz übrig. „Äääähhm …“, sagte sie, während Michel bereits breitbeinig sich in seinem Sessel fläzte.
Die stets kontrollierte Kommissionschefin bekam einen Platz auf einem Sofa zugewiesen, in einiger Entfernung zu den Männern. Brüskiert gefühlt hatte sie sich von beiden, sagte sie später. Ankara hat einen protokollarischen Fehler stets zurückgewiesen. Geschadet hat der Skandal vor allem Ratspräsident Michel. Der hätte sich, so der Vorwurf, nicht rücksichtslos hinsetzen dürfen.
Kein Handschlag
Richtig grob wurde es einmal 2022. Da verweigerte Ugandas Außenminister Jeje Odongo Ursula von der Leyen beim EU-Afrika-Gipfel den Handschlag. Und ignorierte sie völlig. Erst auf das Drängen von Präsident Macron hin bemüßigte sich Odongo, die Kommissionschefin zu begrüßen – ohne aber ihr die Hand zu geben. Wäre dies auch geschehen, wenn an der Spitze der Kommission keine Frau stünde? Ursula von de Leyen verlor darüber kein Wort.
Nur einmal, nach dem Sofagate-Skandal, hatte sie sich öffentlich beschwert: „Nur weil ich eine Frau bin, wurde ich nicht gemäß meines Amtes behandelt.“
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