EU-Reformen: Macron gibt Gas, Berlin muss erst mal starten

Frankreichs Präsident stellt heut seine ehrgeizigen Europapläne vor - aber ohne Zustimmung der nächsten deutschen Regierung wird nichts davon wahr werden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mag noch so sehr aufs Gas steigen – der deutsch-französische Motor muss erst wieder einmal anspringen, bevor sich die EU in Richtung Reformen bewegen lässt. Doch in Berlin stehen nach den Bundestagswahlen nun komplizierte und voraussichtlich langwierige Koalitionsverhandlungen an.

Erneut Monate des erzwungenen Stillstandes, die in Brüssel Unruhe schüren. Das Zeitfenster für Reformen ist klein – bis Frühling 2019. Dann stehen auf EU-Ebene schon wieder Wahlen an.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzt "mehr denn je auf eine stabile Bundesregierung, die tatkräftig an der Gestaltung unseres Kontinents mitwirkt." Der Erfolg der rechtspopulistischen AfD bereitet ihm wenig Sorgen: "Die Kommission hat Vertrauen in die Demokratie." Oder, wie es der EU-Experte Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Thinktank European Policy Centre (EPC) formuliert: "Der Einzug der AfD in den Bundestag ist keine gute Nachricht, aber auch nicht das Ende der Welt. Immerhin haben 87 Prozent der deutschen Wähler nicht für die AfD gestimmt."

Die Wunschliste

Emmanuel Macron, ein glühender Pro-Europäer, mag indes nicht länger warten und macht Druck. Vor Studenten an der Universität Sorbonne wird er heute, Dienstag, seine Vorstellungen über den aus seiner Perspektive notwendigen Umbau der EU präsentieren. Sein Ziel – das von Seiten skeptischerer EU-Staaten schon jetzt als "Wunschliste" verbrämt wird – ist die Übertragung von Kompetenzen auf die Ebene der Euro-Zone im großen Stil: Ein eigenes Budget für die 19 Euro-Länder möchte er durchsetzen, einen eigenen Euro-Finanzminister ebenso.

"Das Ergebnis der Wahlen wird eine Einigung auf eine Reform der Währungsunion wahrscheinlich schwieriger machen", glaubt Analyst Fabian Zuleeg (ebenfalls EPC). Denn mit einem potenziellen Regierungspartner FDP dürfte Kanzlerin Angela Merkel nur schwer den Daumen zu Macrons ehrgeizigen Plänen heben können. Zuleeg: "Als früherer Koalitionspartner war die FDP immer stark gegen eine Transferunion und eine Vergemeinschaftung der Schulden."

Solidaritätsgedanke

In Erwartung kommender Krisenzeiten ist eine Stärkung der Währungsunion notwendig. Darüber herrscht im Dreieck Berlin-Paris-Brüssel grundsätzlich Einigkeit. Wie weit diese allerdings gehen wird, dürfte vor allem davon abhängen, wer den Posten des deutschen Finanzministers erhält. Bleibt es Wolfgang Schäuble (CDU)? Oder geht er an die FDP, die sich mit einem Solidaritätsgedanken innerhalb der Währungsunion à la Macron noch schwerer tut als die konservative CDU/CSU? Vor Weihnachten, so lautet die Erwartung in Brüssel, dürfte die neue deutsche Regierung nicht stehen.

Verteidigungs-Union

Mehr Fahrt könnte der deutsch-französische Reformmotor beim Projekt der europäischen Verteidigungsunion und in der Sicherheitspolitik aufnahmen. Die bisher immer auf der Bremse gestandenen Briten steigen mit Anfang April 2019 aus der EU aus. Der Vertiefung der gemeinsamen Verteidigung jener EU-Staaten, die das wollen, steht damit nichts mehr im Wege.

Und auch in der Migrationspolitik werden Berlin, mit welcher Regierung auch immer, und Paris leichter eine gemeinsame Linie finden. Die da wäre: Mehr Außengrenzschutz, Eindämmung der illegalen Immigration, mehr Abschiebungen.

Ein zu erwartender Nachteil wird der deutschen Kanzlerin und damit auch der EU zu schaffen machen: "Angela Merkel ist eine geschwächte Siegerin. Es wird für sie viel schwieriger werden zu regieren als bisher", glaubt EU-Experte Emmanouilidis. "Und aus der EU-Perspektive ist eine schwächere Merkel keine gute Nachricht." Denn ohne Deutschland geht in der EU gar nichts.

Kommentare