EU plant abhörsicheren Bunker: Die Lauscher müssen draußen bleiben
Wenn die allergeheimsten Beratungen beginnen, müssen alle Handys draußen bleiben. Da gibt es weder für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron noch für den deutschen Regierungschef Olaf Scholz oder für Österreichs Kanzler Karl Nehammer eine Ausnahme. Ganz oben, im Brüsseler Sitzungssaal des Europäischen Rates, gehen die Türen zu. Was drinnen besprochen wird, soll drinnen bleiben – und niemand, auch nicht die engsten Mitarbeiter, sollen eine Textnachricht von ihrem Regierungschef bekommen. Und was schon gar nicht passieren darf: dass sich unerwünschte Lauscher von draußen dranhängen.
Funkwellen
Genau diese Sorgen aber treiben die Behörden in Brüssel um. Ein super-zuverlässiger Hochsicherheitsbunker soll deshalb errichtet werden, um sich vor ungebetenen Zuhörern und Spionage zu schützen. Acht Millionen Euro wird der Bunker kosten.
In welchem Teil des Gebäudes er nächstes Jahr eingezogen wird, steht noch nicht fest. Das Wichtigste dabei: Ein spezieller, von der NATO zertifizierter Isolationsrahmen schützt den Besprechungsraum vor elektromagnetischen und Funkwellen. Im NATO-Hauptquartier am Stadtrand von Brüssel und in den USA sind mehrere von diesen sogenannten SCIFs – Sensitive Compartmented Information Facilities – zu finden. Dass auch die EU jetzt ihren abhörsicheren Bunker hochzieht, veranlasst die meisten Diplomaten in Brüssel nur zu Frage: „Warum erst jetzt?“
Abhörskandale
In bester Erinnerung ist in der belgischen Hauptstadt die Aufregung um die Renovierungsarbeiten an der EU-Botschaft Maltas vor einigen Jahren. Belgische und britische Geheimdienste erhoben den Vorwurf, dass eine mit den technischen Neuerungen beauftragte chinesische Firma im Gebäude der Malteser Spionagewerkzeug installiert habe. Malta wies dies stets kategorisch zurück. Doch die Sorge blieb: Die zahlreichen Gebäude und Büros rund um die EU-Institutionen können nicht alle auf jeden Millimeter abgesucht werden. Und dazu kommt auch noch: Abhörprofis können aus Räumen mit Fenstern anhand der Schwingungen der Scheiben heraushören, was oft hunderte Meter weit entfernt gesprochen wird. Belgien hat erst vor Kurzem zwei russische Spione ausgewiesen. Sie waren auf das Abhören von Signalen spezialisiert.
Doch auch die USA sind in diesem Punkt keine Unschuldslämmer: Wie 2013 bekannt wurde, dürfte die National Security Agency (NSA) mutmaßlich EU-Einrichtungen abgehört haben. Von China ist offiziell kein Abhörskandal von EU-Einrichtungen bekannt, doch die Wahrscheinlichkeit eines solchen ist zumindest gegeben.
Ein Bunker muss also her. Ohne Fenster, aber zumindest so groß, dass er fast 100 Menschen Platz bietet: 27 Staats- und Regierungschefs, Kommissionschefin und Ratspräsident, Protokollführer, Wartungs- und technisches Personal. 30 ebenfalls abhörsichere Dolmetscherkabinen werden angeschlossen.
Wer den Bunker betritt, hat eine penible Sicherheitsüberprüfung hinter sich gebracht. Die Smartphones der europäischen Staats- und Regierungschefs bleiben während ihrer Geheimbesprechungen in schalldichten Schließfächern außerhalb des Bunkers, außerdem Laptops und Smartwatches. Kurzum: Alles, was auch nur irgendwie mit dem Internet oder Bluetooth verbunden werden kann.
Spezielle Software nötig
Somit wird der Europäische Rat auch ein eigenes, geschlossenes Kommunikationssystem innerhalb der sicheren vier Wände benötigen, um dennoch mit wichtigen Informationen versorgt werden zu können. Über ein solches verfügt nicht nur der „Situation Room“ der USA, sondern auch die abhörsicheren Anlagen des Österreichischen Bundesheeres. Welches System das ist und wo sich die Anlagen befinden, unterliegt strengster Geheimhaltung.
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