Die Europakritiker erstarken
Für die nominelle Nachbesetzung ist also längst gesorgt. Und doch wird der Auszug der Briten aus dem Parlament Lücken hinterlassen – vor allem aber wird er die Kräfteverhältnisse innerhalb der EU-Institution verschieben.
Freuen kann sich zunächst die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), die nach dem Brexit um fünf Stimmen stärker wird. Sie bleibt mit künftig 187 Abgeordneten die stärkste Kraft im EU-Parlament vor den Sozialdemokraten (S&D). Der zweite Gewinner ist die rechtspopulistische bis rechtsextreme Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), der etwa Marine Le Pens RN, die AfD, die FPÖ und die Salvini-Lega angehören.
Die Liberalen verlieren
Die größten Einbußen macht die liberale Fraktion „Renew Europe“, in der Frankreichs En Marche von Präsident Emmanuel Macron dominiert. Für Österreich sitzt dort die Neos-Abgeordnete Claudia Gamon. Renew verliert 11 Sitze, die Grünen sieben. Die Sozialdemokraten verlieren sechs Mandate, die rechtskonservative ECR („Konservative und Reformer“) drei.
Was bedeutet das?
Die Rechten überholen mit ihrem Zugewinn die Grünen und sind hinter EVP, S&D und Renew die viertstärkste Kraft im Europaparlament. Eine stärkere Stimme für die Rechten? „Ja, sicher macht uns das stärker“, sagt FPÖ-Europaabgeordneter Harald Vilimsky zum KURIER. Doch in dem neu geordneten Parlament werde man „ohnehin Gespräche mit anderen führen“, spielt er auf eine mögliche Neukonstituierung der Fraktionen an, die die Rechten ja schon länger planen. „Wenn alles gut geht, könnten wir zweitstärkste Fraktion werden“, malt sich der EU-Routinier aus.
Die Grüne Sarah Wiener will das nicht so hinnehmen. Doch sie sagt, die neuen Kräfteverhältnisse müssen sich erst zeigen: „Der Brexit ist ein unglaublich trauriges Ereignis für uns. Jetzt heißt es einmal ‚Tränen trocknen‘ und dann werden wir weiterschauen.“
Die deutsche Renew-Abgeordnete Nicola Beer (FDP) will das ebenfalls nicht überbewertet wissen. „Im EU-Parlament versuchen wir schon immer sehr breit alle einzubinden“, sagt sie. Die drei stärksten Parteien haben gemeinsam immer noch eine Mehrheit (künftig ab 353 Stimmen), jedoch ist der Vorsprung enger geworden. „Man muss sich ohnehin stets um Zusatzabsicherungen in anderen Fraktionen kümmern.“ Sie sagt das auch mit Blick auf die „Disziplin“ der Abgeordneten, denn es seien – anders als etwa im deutschen Bundestag – ja auch oft nicht alle Abgeordneten anwesend.
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