EU-Korruptionsskandal: Lebensgefährte geständig, Metsola kündigt Reform an
Im EU-Korruptionsskandal hat der Lebensgefährte der abgesetzten Europaparlaments-Vizepräsidentin Eva Kaili ein Geständnis abgelegt. Der Italiener Francesco Giorgi hat vor den Ermittlern zugegeben, Schwarzgelder angenommen zu haben, berichtet die römische Tageszeitung La Repubblica (Donnerstagsausgabe).
Während die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ein umfassendes Reformpaket gegen Korruption im EU-Parlament ankündigte, forderten die EVP weitere konkrete Konsequenzen.
Giorgi habe zugegeben, Teil einer Organisation gewesen zu sein, die von Marokko und Katar benutzt wurde, um sich in europäische Angelegenheiten einzumischen und diese zu beeinflussen, berichtete die italienische Zeitung.
Seine Aufgabe war es, Bargeld zu verwalten. Der Zeitung zufolge hat Giorgi auch angedeutet, dass er Andrea Cozzolino und Marc Tarabella, beide Abgeordnete der S&D-Fraktion im EU-Parlament, verdächtigt, über den ehemaligen italienischen EU-Abgeordneten Antonio Panzeri Geld angenommen zu haben.
Marokko soll über seinen externen Informationsdienst Dged in die mutmaßliche Bestechungsaffäre verwickelt sein. Aus den von der beiden Zeitung eingesehenen Dokumenten geht hervor, dass Panzeri, Cozzolino und Giorgi in Kontakt mit dem Dged und Abderrahim Atmoun, dem marokkanischen Botschafter in Polen, standen.
EU-Parlament baut Lobbyregister aus
Das EU-Parlament will das Lobbyregister ausbauen und seine gesamte Arbeit zu Katar einstellen. Wenn die strafrechtlichen Ermittlungen in dem mutmaßlichen Bestechungsfall vorbei sind, soll auch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, hieß es in einer am Donnerstag in Straßburg verabschiedeten Resolution.
In Bezug auf Katar soll jede gesetzgeberische Tätigkeit zunächst ausgesetzt werden; das gilt insbesondere für die eigentlich geplante Visa-Liberalisierung, aber auch für geplante Besuche. Die Zugangsausweise für Vertreter des Golfemirats werden demnach deaktiviert.
Transparenz bei Parlamentarier-Einkünften
Außerdem sprachen sich die Parlamentarier für eine Vermögenserklärung zu Beginn und am Ende jedes Mandats aus. Sie verpflichteten sich, für vollständige Transparenz über die genaue Höhe ihrer Nebeneinkünfte zu sorgen und jegliche externe Finanzierung ihrer Bediensteten und der Fraktionen zu verbieten.
Lobbyregister erweitert
Die Abgeordneten forderten auch neue Maßnahmen für Lobbyisten. Die Transparenzregeln sollen künftig auch für Nicht-EU-Länder gelten. Für das Lobbyregister - also die Datenbank, in der sich Interessenvertreter registrieren können - soll mehr Geld und Personal zur Verfügung gestellt werden, damit die darin enthaltenen Informationen besser überprüft werden können. Zudem sprachen sich die Parlamentarier für einen baldigen Vorschlag der EU-Kommission für ein Ethikgremium aus. Die Resolution wurde mit 541 Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen angenommen.
Reform für Korruptionsbekämpfung
Parlamentspräsidentin Metsola kündigte an, den Kampf gegen Korruption zur Chefsache machen zu wollen. Im neuen Jahr solle es ein umfassendes Reformpaket geben, so Metsola nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ich werde diese Arbeit persönlich leiten“, sagte sie. Unter anderem soll es strengere Regeln für Organisationen und Angehörige von Drittstaaten geben, die sich mit Parlamentariern treffen wollen. Auch ein besserer Schutz für Whistleblower wurde angekündigt.
„Es wird keine Straffreiheit geben. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Es wird kein “Business as usual„ geben“, betonte die Malteserin. Die Vorwürfe seien ein Schlag gegen alles, woran man seit vielen Jahren gearbeitet habe. „Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen, und nur einen Moment, um es zu zerstören“, sagte Metsola. Die Spitzenpolitikerin schloss aber nicht aus, dass es in Zukunft zu ähnlichen Skandalen kommen könnte. „Aber ich werde dafür sorgen, dass alles getan wird, um sicherzustellen, dass das Parlament nicht zum Verkauf steht“, sagte sie.
Kaili war bereits am Dienstag vom Europaparlament im Schnellverfahren abgesetzt worden. Führende Abgeordnete der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) forderten nun aber weitere Konsequenzen. In einem Schreiben an Parlamentspräsidentin Metsola, das der APA vorliegt, verlangten sie den Rücktritt der belgischen Sozialdemokratin Maria Arena von ihrer Funktion als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament. Als Grund wurde die Verwicklung eines parlamentarischen Mitarbeiters von Arena in die Affäre genannt.
ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig kritisierte, dass für die Machenschaften eine NGO gegründet worden sei. „Eine NGO für die Menschenrechte hat in Wahrheit gegen die Menschenrechte gearbeitet. Das darf nicht mehr passieren. Hier braucht es mehr Transparenz und Kontrolle. Etwaige Schlupflöcher müssen geschlossen werden“, sagte Winzig.
Resolution "wichtiger Schritt"
Ihr SPÖ-Kollege Andreas Schieder betonten, dass die am Donnerstag beschlossene Resolution nur „ein wichtiger erster Schritt“ und eine „reine Momentaufnahme“ sei. Der Auftrag für die Zukunft sei klar: „Noch mehr Transparenz und noch mehr Kontrolle“, betonte Schieder in einer gemeinsamen Aussendung mit der Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyn Regner.
Zugleich räumten sie ein: „Gegen genügend kriminelle Energie hilft kein Verhaltenskodex und kein Lobbyregister, sondern nur das Strafrecht.“
Schieder und Regner wiesen darauf hin, dass innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion „ein interner Untersuchungsprozess begonnen“ habe. Im Zentrum der Ermittlungen der belgischen Justiz steht das Netzwerk Panzeris. Dieser war lange Jahre Mitglied des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), derzeit die stärkste Oppositionspartei in Italien. 2017 wechselte er zur Partei des ehemaligen italienischen Kommunistenchefs und Expremiers Massimo D'Alema, Articolo 1, blieb jedoch im Europäischen Parlament in der Fraktion der Sozialdemokraten.
Fäden laufen bei Panzeri zusammen
Die Staatsanwaltschaft Brüssel ist sich sicher, dass bei Panzeri die Fäden zusammenliefen, wenn es darum ging, politische und wirtschaftliche Entscheidungen des EU-Parlaments zugunsten von Staaten wie Katar oder Marokko zu beeinflussen. Im Zentrum steht die von Panzeri nach seinem Ausscheiden 2019 aus dem EU-Parlament gegründete Nichtregierungsorganisation „Fight Impunity“. Er soll das Geld aus Katar verteilt haben, um Entscheidungen des Parlaments im Sinne des Emirats zu beeinflussen. Panzeri sitzt in U-Haft, auch seine Frau und seine Tochter wurden festgenommen.
Unterdessen forderte die italienische Ministerpräsidentin Meloni Klarheit im Korruptionsskandal. „Das Szenario ist besorgniserregend, die Nachrichten, die auftauchen, berichten von etwas, das wir uns nie hätten vorstellen können. (...) Man muss der Sache auf den Grund gehen, denn davon hängt die Glaubwürdigkeit der EU und unserer Nationen ab“, sagte Meloni am Donnerstag im Vorfeld ihrer ersten Teilnahme an einem EU-Gipfel an Brüssel.
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