Eva Kaili: Die gekaufte Vizepräsidentin

Eva Kaili: Die gekaufte Vizepräsidentin
Die Griechin galt als beeindruckende Gestalt der europäischen Politik. Nun sitzt die ehemalige Moderatorin in Haft, weil sie Geld aus Katar angenommen haben soll – ein Skandal, der die EU erschüttert.

Die Anekdoten, die über die griechische EU-Vizepräsidentin Eva Kaili bekannt sind, bestätigen den Eindruck, den ein Blick in ihren Lebenslauf erweckt: Die 44-Jährige erlebte eine politische Bilderbuchkarriere. Selbstbewusst und klug soll sie sein, zu landesweitem Ruhm brachte sie es als Journalistin beim griechischen TV-Sender Mega aber aus anderen Gründen – noch heute kursieren Videos aus jener Zeit unter dem Titel „heißeste Nachrichtenmoderatorin der Welt“ im Netz.

2007 wechselte die Griechin in die Politik, mit 29 Jahren als jüngste Abgeordnete der sozialdemokratischen Pasok-Partei. 2014 ging es nach Brüssel ins EU-Parlament, im Jänner wurde sie dort zur Vizepräsidentin gewählt. Das US-Magazin Politico nahm sie in diesem Jahr in seine Liste der einflussreichsten europäischen Politiker auf. Es sollte der Höhepunkt ihrer Bilderbuchkarriere bleiben.

Eine Vorahnung auf den Skandal, der sich an diesem Wochenende entfalten sollte, bot Kailis groteske Rede im EU-Parlament vom 21. November. Ausgerechnet der Fußball-WM-Gastgeber Katar, seit Jahren wegen des menschenrechtswidrigen Umgangs mit Gastarbeitern in der Kritik, sei der Griechin zufolge „führend bei den Arbeitsrechten“.

Katarische Offizielle würden Kaili zufolge von europäischen Politikern und Menschenrechtsorganisationen aus Prinzip diskriminiert: „Sie schüchtern sie ein und sie beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht oder Kontakte hat, der Korruption.“

700.000 Euro in Bar

Eine Rede, die sich im Nachhinein wie eine Vorahnung liest. Am Freitag platzte dann die Bombe: Kaili wurde in Brüssel wegen des Verdachts der „Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ verhaftet. In ihrer wurden mehrere Geldsäcke mit insgesamt mehr als 600.000 Euro in Bar konfisziert, Kailis Vater kurz darauf beim Versuch gefasst, weitere 100.000 Euro in einem Koffer außer Landes zu bringen.

Das Geld soll aus Katar stammen, Kaili dafür auf EU-Ebene zugunsten des Emirats abgestimmt und bei anderen Abgeordneten lobbyiert haben. Im Fall einer am 24. November verabschiedeten Resolution, in der das EU-Parlament „glaubwürdige Vorwürfe der Bestechung und Korruption“ bei der WM-Vergabe an Katar festhielt, soll Kaili laut FAZ-Recherchen mehrere Abgeordnete gebeten haben, gegen diese Formulierung zu stimmen.

Die Griechin ist zum Gesicht eines Skandals geworden, der schon jetzt als der größte in der Geschichte des EU-Parlaments gilt. Daneben ist aber ein Netzwerk an italienischen EU-Abgeordneten verstrickt, das bei Kailis Lebensgefährten Francesco Giorgi zusammenläuft. Der 37-jährige Italiener war über Jahre parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament – und ist heute als Experte für Menschenrechte und außenpolitische Agenden im arabischen Raum tätig.

Eva Kaili: Die gekaufte Vizepräsidentin

Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi (l.) steht im Zentrum des Korruptionsskandals.

Seit Sonntag sitzt Kaili nun gemeinsam mit zwei weiteren Verdächtigen in Untersuchungshaft. Die parlamentarische Immunität greift in diesem Fall nicht, weil Verdunkelungs- und Fluchtgefahr vorliegen. Ihren Posten als Vizepräsidentin ist die Griechin ohnehin seit Samstag los. Auch ihr Vermögen wurde in der Heimat eingefroren.

Katar-Gesetz verschoben

Unklar ist, welche Folgen der Skandal für das EU-Parlament nach sich ziehen wird. Der deutsche Abgeordnete René Repasi, ein Fraktionskollege Kailis in Straßburg, nannte die Enthüllungen „wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs“. Kurzfristig wird die Abstimmung über ein Gesetz verschoben, das katarischen Staatsbürgern ermöglicht hätte, ohne Visum für 90 Tage in die EU einzureisen. Es hätte in dieser Woche verabschiedet werden sollen.

Bezüglich weiterer Konsequenzen für Katar blieben Verantwortliche auf EU-Ebene am Montag ebenso vorsichtig wie jene der Mitgliedsstaaten, etwa Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock („Jetzt geht es vor allem um die restlose Aufklärung“). Nur Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, selbst mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert (s. Seite 7), verspottende das EU-Parlament auf Twitter mit einem Bild lachender Männer. Darunter stand: „Und dann sagten sie, das EU-Parlament wäre ernsthaft besorgt über die Korruption in Ungarn.“

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