Deutsche Pkw-Maut: EU stellt Verfahren ein, Österreich klagt

Verschnupft zeigt sich Verkehrsminister Jörg Leichtfried
Nach Ansicht der EU-Kommission gibt es im neuen Mautmodell keine Diskriminierung ausländischer Fahrer mehr. Österreich bereitet nun Klage vor.

Nach den Zugeständnissen der Berliner Regierung beim Maut-Modell hat die EU-Kommission ihr Verfahren gegen Deutschland eingestellt. Es gebe nun keine Diskriminierung ausländischer Fahrer mehr, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) äußerte sich erfreut über das grüne Licht aus Brüssel.

Österreich bereitet nun - wie angekündigt - eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, teilte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Mittwoch in einer Aussendung mit. "Die Fehlentscheidung der Kommission öffnet der wechselseitigen Diskriminierung zwischen EU-Mitgliedstaaten Tür und Tor", begründete Leichtfried die künftige Vorgangsweise Österreichs.

Mehrmonatige Verfahren vor Klage

Allerdings fließt bis dahin noch viel Wasser die Donau hinunter. In einem ersten Schritt muss Österreich nun die Kommission erneut mit dem Thema befassen. In einem bis zu dreimonatigen Verfahren werden in Folge Stellungnahmen von Deutschland und Österreich eingeholt und gesichtet. Wird die Kommission im Anschluss nicht selbst erneut aktiv, ist der Weg für eine österreichische Klage frei, erklärt der Minister das langwierige Prozedere.

Bereits im März hatte Leichtfried angekündigt, Österreich werde gegen die Einführung der Maut beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgehen. Die deutsche "Ausländermaut" sei eine "Diskriminierung anhand der Staatszugehörigkeit", sagte Leichtfried.

Wo es sich spießte

Zentraler Streitpunkt war der Vorwurf einer Benachteiligung von Fahrern aus dem Ausland, da nur Inländer für Mautzahlungen über eine Senkung der Kfz-Steuer wieder voll entlastet werden sollen. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einigte sich aber im Dezember 2016 mit der EU-Kommission auf Änderungen am Modell.

Österreich kritisiert, dass das deutsche Modell ausländische Autobahnnutzer benachteiligt, weil sie ihren Mautbeitrag - im Gegensatz zu den Deutschen - nicht refundiert erhalten. Da dieses deutsche Rechenmodell auch ökologische Komponenten hat, sah die EU-Kommission keinen Grund, dieses Modell zu verbieten. Kritiker hingegen meinen, dass das große Deutschland in der Kommission eben etwas mehr Gewicht hat als das kleine Österreich.

Leichtfried setzt bei der angestrebten Klage auf ein Gutachten des Europarechtsexperten Walter Obwexer, der eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sieht, die mit EU-Recht nicht vereinbar sei.

"Maut-Schizophrenie"

Der Streit hatte das Verhältnis zwischen Bayern - Dobrindt kommt aus der bayrischen CSU - und Österreich zuletzt belastet. Dobrindt reagierte zusehens genervt auf die österreichischen Einwände. Er attestierte seinem Nachbarland "Maut-Maulerei" und eine "Maut-Schizophrenie". Er habe "nullkommanull Verständnis" dafür, dass Österreich selbst Maut kassiere, aber in Deutschland nicht zur Infrastrukturfinanzierung beitragen wolle.

Allerdings erhalten in Österreich die Einheimischen die Maut nicht refundiert. Die Pkw-Maut spülte im Vorjahr 645 Mio. Euro in die Kassa der staatlichen Autobahnholding Asfinag. Der Löwenanteil der Mauteinnahmen stammt allerdings von den Lkw, deren Besitzer im Vorjahr 1,27 Mrd. Euro zahlten. 60 Prozent der Lkw-Mauterlöse kamen von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen.

CSU-Chef Horst Seehofer hat die Einstellung des Verfahrens der EU-Kommission gegen eine Pkw-Maut in Deutschland begrüßt. Damit habe die Maut nun die Zustimmung auf deutscher und europäischer Ebene, sagte Seehofer am Mittwoch vor einer CSU-Fraktionssitzung im Landtag in München. "Mehr kann eigentlich ein Gesetzesprojekt nicht durchlaufen an positiver Gesamtbeurteilung."

"Und dann muss man als Politiker auch mal zufrieden sein und nicht ständig nachdenken, könnten in fünf Jahren noch irgendwelche UNO-Beschlüsse dagegen gefasst werden oder ähnliches", sagte der bayerische Ministerpräsident und betonte: "Irgendwann muss man im Leben einen Haken machen und sagen: Projekt positiv erledigt."

Eine österreichische Klage sieht Seehofer gelassen. "Sollen klagen - das ist in einem rechtsstaatlichen Europa jedermanns Recht." Seehofer machte aber deutlich, dass er die Erfolgsaussichten nach der nun erfolgten Zustimmung der EU-Kommission als äußerst gering erachtet.

Seehofer betonte, die Maut finde in Deutschland sehr große Zustimmung in der Bevölkerung. "Die Leute betrachten das als einen Schritt zu Gerechtigkeit, weil wir bezahlen ja auch überall", sagte er.

"Fauler Kompromiss"

Die SPÖ-Europamandatarin Karoline Graswander-Hainz hat die Entscheidung der EU-Kommission zur Einstellung des Verfahrens gegen Deutschland in Sachen Pkw-Maut als unbegreiflich bezeichnet. Die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament Ulrike Lunacek erklärte, die Brüsseler Behörde habe einen "faulen Kompromiss durchgewunken".

Grawander-Hainz sagte, die deutsche Maut diskriminiere einseitig EU-Ausländer. Es sei "unbegreiflich, warum die Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge nicht ernst nimmt". Offenbar wiegen für manche Hinterzimmerdeals mehr als das EU-Recht. Verkehrskommissarin Violeta Bulc solle im EU-Parlament erklären, wie sie die Einstellung des Verfahrens begründe. Das EU-Parlament habe zuvor mit breiter Mehrheit in einer Resolution beschlossen, dass die deutschen Mautpläne EU-rechtswidrig seien.

Lunacek: "moderne Wegelagerei"

Lunacek hat die deutsche Pkw-Maut als "moderne Wegelagerei" kritisiert. Die Einstellung des Verfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland bedeute nur, dass die Brüsseler Behörde einen "faulen Kompromiss durchwinkt".

"Diese Entscheidung ist anti-europäisch und wird zurecht Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof provozieren. Was es braucht, sind europäische Lösung für die Finanzierung der Autoverkehr-Infrastruktur". Dabei müsse Fairness das oberste Gebot sein: Vielfahrer sollten viel, Gelegenheitsfahrer wenig zahlen.

"Wir brauchen Kostenwahrheit im Verkehr, damit nicht die Allgemeinheit für die Folgekosten aufkommen muss. Auf EU-Ebene besteht darüber Einigkeit, jetzt müssen die Mitgliedsstaaten und zuvorderst Deutschland Taten setzen", so Lunacek.

Auch der Verkehrsexperte der Linken-Fraktion im deutschen Bundestag, Herbert Behrens, kritisierte die Entscheidung der Kommission. "Nun werden unsere Nachbarstaaten die Maut vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, deren Rechtswidrigkeit selbst juristischen Laien einleuchtet." Auch die Niederlande hatten Ende März angekündigt, sie behielten sich rechtliche Schritte vor.

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