Wie soll die Kennzeichenüberwachung funktionieren?

Das von Sobotka und Doskozil ausgehandelte Sicherheitspaket sieht auch die Verwendung elektronischer Kennzeichenerfassung vor. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Es ist einer der Eckpunkte des Sicherheitspakets, das im Zuge der jüngsten Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP ausgearbeitet wurde. Zu dem "Meilenstein der Sicherheit", den Innenminister Wolfgang Sobotka nach eigenen Worten im Parlament präsentierte, gehört auch der Plan, das Asfinag-Mautsystem zur Überwachung von Kfz-Kennzeichen einzusetzen. "Mit der Einführung eines elektronischen Kennzeichenerfassungssystems der Asfinag soll das BMI als Übermittlungempfänger in bestimmten Fällen (Fahndungsabfragen) vorgesehen werden." So lautet die entsprechende, kurze Passage im "Programm für Österreich" der Bundesregierung.

Die Asfinag und Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) erteilten diesem Begehren am Montag einen Dämpfer. Der Großteil des derzeit eingesetzten Systems könne Kennzeichen gar nicht speichern, hieß es in einem Pressegespräch. Außerdem widerspreche die Rechtslage einer großflächigen Überwachung. "Im Freiland haben wir keine Grundlage, irgendetwas zu speichern", sagte Asfinag-Vorstand Alois Schedl.

Es ist also Zeit, etwas Ordnung in diese Frage zu bringen:

Die Asfinag verfüge insgesamt über 5.000 Kameras, heißt es auf KURIER-Nachfrage. Rund tausend dieser Kameras sind als Webcams auch öffentlich für jeden einsehbar, etwa zur Information über die Verkehrslage. Diese Kameras werden aber nur für betriebliche Zwecke eingesetzt, etwa zur Feststellung von Staus, zur Analyse des Verkehrsgeschehens oder zur Erhöhung der Sicherheit auf Rastplätzen. Sie sind nicht geeignet, um Autokennzeichen aufzuzeichnen und werden laut Auskunft der Asfinag auch nicht dafür eingesetzt, weil es überhaupt keine gesetzliche Grundlage dafür gebe.

  • Welche Bilder dürfen derzeit manuell gespeichert werden?

Gespeichert werden darf nur das in Tunnels aufgenommene Videomaterial, und zwar 72 Stunden lang. Darüber hinaus bleibt es nur dann gespeichert, wenn in dem jeweiligen Zeitraum ein Unfall oder ein Beinahe-Unfall passiert ist. Dies wird im Straßentunnel-Sicherheitsgesetz geregelt.

Asfinag: Ohne gesetzlichen Auftrag keine Speicherung

Auf die gesetzliche Basis legt die Autobahnholding nach eigener Aussage großen Wert. Asfinag-Sprecher Christian Spitaler sagt über die Pläne im Regierungsprogramm: "Wenn es einen gesetzlichen Auftrag gibt, muss man sich anschauen, wie es technisch umsetzbar ist. Noch haben wir diesen aber nicht und es fehlt dafür auch die technische Ausstattung." Die derzeitige Kamerabestückung sei nicht einmal ansatzweise auf eine flächendeckende Kennzeichenüberwachung ausgerichtet.

  • Welche Bilder dürfen derzeit automatisch gespeichert werden?

Lediglich die Kameras für die automatische Vignettenkontrolle sind derzeit in der Lage, Kamerabilder automatisch aufzuzeichnen. Es handelt sich dabei aber nur um eine stichprobenartige Ergänzung der 150 bis 200 Mautaufsichtsorgane. Derzeit sind neun Kamerasysteme in Verwendung, auf einem Autobahn- und Schnellstraßennetz von derzeit 2.200 Kilometern. Diese Kameras befinden sich vor allem auf Stadtautobahnen, weil dort entsprechende Räume zur Anhaltung von Fahrzeugen durch Kontrollorgane fehlen. Die Standorte wechseln alle sieben bis 14 Tage. Aufgezeichnet wird nur, wenn ein Auto ohne gültige Autobahnvignette erkannt wird.

  • Was wird (im Fall eines möglichen Mautvergehens) gespeichert?

Ausschließlich in begründeten Verdachtsfällen werden vom System sowohl ein Überblicksbild mit Kennzeichen als auch ein Detailbild von der Windschutzscheibe aufgenommen und abgespeichert. Anschließend werden die Beweisbilder händisch überprüft. Sollte sich der Verdacht nicht erhärten bzw. wurde die Ersatzmautforderung beglichen, müssen die Bilder gelöscht werden.

Wie soll die Kennzeichenüberwachung funktionieren?
  • Was ändert sich, wenn die digitale Vignette kommt?

Für das kommende Jahr 2018 plant die Asfinag die Einführung einer digitalen Vignette. Als Alternative zur klassischen Autobahnvignette soll dadurch das Aufkleben wegfallen, weil die digitale Vignette über die Autokennzeichen registriert wird. Daher sind für die automatische Kontrolle der digitalen Vignette in Zukunft allerdings Kennzeichenscanner nötig, wie die Futurezone berichtete. Diese erfassen das Kennzeichen und gleichen in einer Datenbank ab, ob für dieses eine digitale Vignette angemeldet wurde. Für das digitale Vignettensystem muss das Bundesstraßen-Mautgesetz geändert werden, die entsprechende Novelle ist derzeit in Begutachtung.

Auch die digitale Vignette soll laut Asfinag nur stichprobenartig kontrolliert werden. Die Kontrollorgane der Asfinag werden mit Handscannern ausgestattet, um die digitalen Vignetten zu überprüfen. Die bisher neun automatischen Vignettenkontroll-Kameras werden lediglich auf bis zu zwanzig aufgestockt, heißt es. Diese Kameras werden ebenfalls hauptsächlich im städtischen Raum eingesetzt, werden über einer Richtungsfahrbahn montiert und sollen in regelmäßigen zeitlichen Abständen den Standort wechseln.

Kennzeichenerkennung auch in Kerns "Plan A" erwähnt

Interessant ist, dass bereits im Anfang Jänner vorgestellten "Plan A" des Bundeskanzlers Christian Kern (SPÖ) der Einsatz genau solcher automatischen Überwachungssysteme zur Verbrechensbekämpfung ins Spiel gebracht wurde. Dort ist zu lesen: "Kameras in der Verkehrsüberwachung sind heute in der Lage, Kennzeichen zu erkennen. Diese Technik kann auch in der Aufklärung und Prävention von Verbrechen einen wichtigen Beitrag leisten. Nutzen wir doch diese Möglichkeiten."
Das Infrastrukturministerium erklärte auf Anfrage der Futurezone, dass die zeitliche Nähe der Ankündigung der digitalen Vignette zum "Plan A" nur Zufall sei: "Die digitale Vignette ist bereits unter dem damaligen Minister Alois Stöger 2015 im Gespräch gewesen, sie steht nicht mit dem Plan A in Verbindung."

  • Wie funktioniert die Kennzeichenerkennung technisch ?

Die Software des Systems muss zunächst das Nummernschild eines Fahrzeugs auf dem Bild erkennen können. Dessen Buchstaben und Ziffern werden isoliert, wobei die Bildqualität durch Filter automatisch verbessert wird. Dann folgt die eigentliche Zeichenerkennung - Optical Character Recognition, kurz: OCR. Sie funktioniert ähnlich dem Erkennungsprogramm eines Textscanners bei herkömmlichen Computern. Systeme mit Infrarotlicht haben zudem den Vorteil, dass die Erkennung auch bei Nacht möglich ist und von den Fahrern nicht wahrgenommen wird.

  • Und wie funktioniert das mit der LKW-Maut?

Zur Kontrolle der LKW-Maut, die ab 2004 in Österreich eingeführt wurde, sind wesentlich mehr automatische Kamerasysteme im Einsatz, nämlich an jeder Auf - und Abfahrt einer Autobahn oder Schnellstraße. Diese Kontrolle basiert allerdings auf einem anderen System. Es wird die Achsenzahl von LKW über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht festgestellt und mit dem Signal einer im Fahrzeuginneren angebrachten Go-Box verglichen. Nur wenn keine solche Box vorhanden ist, oder eine zu geringe Achsenzahl eingestellt und bezahlt wurde, wird das entsprechende Fahrzeug aufgezeichnet.

Fazit: Gesetzliche und technische Voraussetzungen fehlen

In Österreich fehlen derzeit die gesetzlichen Voraussetzungen, um Kamerabilder automatisch auf Vorrat zu speichern, auf welche die Sicherheitsbehörden bei Bedarf und auf richterliche Anordnung zugreifen könnten. Darüber hinaus fehlen die technischen Voraussetzungen: Mit der derzeit bis 2018 von der Asfinag geplanten Stückzahl an automatischen Vignettenkontroll-Kameras könnte nur ein kleiner Teil des Autobahnnetzes abgedeckt werden, und hier hauptsächlich städtische Regionen. Überhaupt von diesen Möglichkeiten ausgenommen wären etwa Bundes- und Landesstraßen. Mit der Neueinführung von Kennzeichen-Scannern wird aber schon bald zumindest der nötige technische Standard vorhanden sein, um solche Überwachungsmaßnahmen potenziell durchführen zu können. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug. Und der Datenschutz.

Vorreiter bei der Kennzeichenerfassung war, wie bei der Videoüberwachung (CCTV) Großbritannien, wo die Technik auch entwickelt wurde. Sie wird zum Beispiel in der Londoner Innenstadt eingesetzt, um die Enrichtung der Innenstadtmaut zu kontrollieren. Die Polizei darf aber bereits auf die Daten zugreifen, um nationale Sicherheitsinteressen wahrzunehmen.

Nach einer Testphase hat Dänemark im Vorjahr seine digitalen Kennzeichen-Scannern scharf gestellt. Nach Angaben der dänischen Polizei sind 100 stationäre Kameras und 48 Streifenwagen mit den Lesegeräten im Einsatz. Die gescannten Nummerntafeln werden mit Registern der Polizei abgeglichen. Wie lange die Aufnahmen gespeichert werden dürfen, hängt vom Einzelfall ab. Zahlreiche Daten müssten nach 24 Stunden gelöscht werden.

In Deutschland sind schon seit 2005 automatische Kennzeichenlesesysteme (AKLS) im Einsatz. Hier wird die Entrichtung der LKW-Maut automatisch kontrolliert, eine PKW-Maut wurde im Nachbarland ja noch immer nicht eingeführt. Das System erkennt, ob es sich um ein mautpflichtiges Fahrzeug, also einen LKW, handelt oder nicht. Aufgrund von Datenschutzvorgaben dürfen nur stichprobenartige Überprüfungen durchgeführt werden. Zehn Millionen LKW pro Jahr ist dabei die festgelegte Obergrenze. Rund 300 solcher Systeme wurden schrittweise im ganzen Bundesgebiet installiert. Die Begehrlichkeit der Politik war schon bald vorhanden. CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble sprach sich 2006 für eine Nutzung der Daten für polizeiliche Zwecke aus. Diese sollten schon beim Verdacht auf ein Verbrechen eingesetzt werden.

"Autobahn-NSA"

2013 blitzte Innenminister Hans-Peter-Friedrich (CSU) mit dem erneuten Ansinnen ab, die Daten auch von Sicherheitsbehörden auswerten zu lassen. "Wir brauchen kein Autobahn-NSA", sagte damals SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, das Thema wurde nicht Teil der Koalitionverhandlungen. Aktuell läuft ein weiterer Anlauf für eine Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen unter Innenminister Lothar de Maiziere (CDU): Laut einem neuen Gesetzentwurf soll die Bundespolizei neue Befugnisse zum Einsatz von automatischen Kennzeichenlesesystemen erhalten.

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