Für nostalgische Gefühle, denen Merkel ohnehin nicht zuneigt, wird beim Gipfel aber kaum Gelegenheit sein. Viele Krisenthemen stehen auf dem Programm – das wohl dringendste davon: Die Explosion der Gaspreise.
Wobei, zu deren kurzfristiger Abfederung "jetzt der Ball bei den Mitgliedsstaaten liegt", wie Götz Reichert dem KURIER schildert. Der Energieexperte am Centrum für Europäische Politik (cep) verweist auf den Maßnahmenkatalog, den die EU-Kommission in der Vorwoche vorlegte. "Staaten können selbst entscheiden, wie sie stark belastete Gruppen entlasten: Mit direkten Zahlungen, Gutscheinen, Zahlungsaufschüben, Steuersenkungen."
20 der 27 EU-Staaten hätten dies bereits in Angriff genommen, bestätigt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Langfristig aber müsse sich die EU von ihrer Abhängigkeit von Gas und Gasimporten befreien, fordert sie. "Wir importieren 90 Prozents des Gases, das wir konsumieren. Das macht uns verwundbar", sagt von der Leyen.
Vorschlagen will sie, zusätzliche europäische Gasspeicher aufzubauen sowie zu prüfen, ob Gaseinkäufe künftig auch auf gemeinsamer EU-Ebene Sinn machen. Branchenkenner wie Götz Reichert bezweifeln das aber: "Theoretisch wäre das schon seit 2015 möglich, aber es wird nie davon Gebrauch gemacht."
Bei der Diagnose der Gaskrise stimmen alle Staats- und Regierungschefs überein. Doch bei der Suche nach dem Heilmittel gehen die Meinungen diametral auseinander: Da machen sich Frankreich und die meisten osteuropäischen Staaten für die Atomkraft stark – wogegen sich Österreich und Deutschland quer legen.
Da bremsen die osteuropäischen Staaten, allen voran Polen: Gerade jetzt, in Zeiten höchster Gaspreise, auf erneuerbare Energieträger umzustellen, sei schlicht unbezahlbar.
Polens Premier Mateusz Morawiecki wird beim Gipfel generell raue Töne zu hören bekommen. Denn dass Polen nun nationales Recht über EU-Recht stellt, lehnt die überwältigende Mehrheit der EU-Regierungschefs kategorisch ab.
Auch Kanzler Schallenberg warnt: "Das ist eine brandgefährliche Entwicklung. Ohne den Vorrang des Europarechts zerfällt dieses Gebilde."
Weniger diplomatisch wird es wohl der niederländische Premier ausdrücken. Mark Rutte nahm sich schon beim letzten Gipfel – damals gegenüber Ungarns Premier Viktor Orbán – kein Blatt vor den Mund. Wenn Ungarn die gemeinsamen Werte nicht akzeptiere, hatte Rutte geschimpft, "dann soll Ungarn halt aus der EU austreten."
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