Was der Beschluss für Österreich bedeutet

APA11350124-2 - 08022013 - BRÜSSEL - BELGIEN: Bundeskanzler Werner Faymann (r) und Frankreichs Präsident Francois Hollande am Donnerstag, 7. Februar 2013, vor Beginn des mehrtägigen Europäische Rat der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. APA-FOTO: BKA/ANDY WENZEL
Österreich hat seinen Rabatt teilweise verloren. Auch in der Regionalförderung musste gekürzt werden.

In absoluten Zahlen wird Österreichs Nettobeitrag zwar steigen: von zuletzt rund 800 Millionen Euro pro Jahr auf rund eine Milliarde. Dennoch: Misst man den Nettotransfer an der Wirtschaftsleistung, sinkt der Beitrag. So soll er 2014-2020 nur 0,31 Prozent vom BIP betragen. Das Minus erklärt sich mit dem kleineren Gesamt-Budget. Bisher war Österreich Weltmeister beim Abholen von Förderungen aus Brüssel, nun sinkt der tatsächliche Beitrag. Für 2006–2014 liegt er bei 0,24 Prozent des BIP.

Burgenland fordert Ausgleich vom Bund

Österreichs Bauern müssen dabei auch mit Kürzungen rechnen. Allerdings werden die heimischen Bauern weiterhin in der EU überproportional hoch gefördert. Sie profitieren von den weiterhin zugesagten Mitteln für die ländliche Entwicklung, zurückgefahren werden aber wie in allen Mitgliedstaaten die Direktzahlungen.

So muss vor allem das Burgenland mit weniger Regionalförderung rechnen. Diese Einbußen müssten jedoch vom Bund abgefedert werden, fordert Landeshauptmann Hans Niessl. "Wir brauchen ein eigenes Burgenlandprogramm zur Stärkung der Wirtschaft und auch für die Förderung von Arbeitsplätzen ist es notwendig, mehr Förderung zu bekommen. Ich fordere die Stärkung der Regionen“, so Niessl am Freitag.

Landwirtschaftsminister Berlakovich zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden mit dem Budgetkompromiss. "Trotz finanzieller Kürzungen wurden die wichtigen EU-Mittel für die Ländliche Entwicklung, dem Herzstück der österreichischen Agrarpolitik, gesichert."

Was der Beschluss für Österreich bedeutet
Es sei auf Österreichs "historische Ansprüche" bei der ökologischen Landwirtschaft Rücksicht genommen worden. Auch die Landwirtschaftskammer ist grundsätzlich mit dem Kompromiss zufrieden, fordert aber ähnlich wie Niessl einen nationalen Mittel-Ausgleich.

Gutes Gesamtpaket

Bundeskanzler Faymann hatte zwei Prioritäten: Deutliche Kürzungen bei der ländlichen Entwicklung zu verhindern – und den Beitragsrabatt zu behalten.

Was der Beschluss für Österreich bedeutet
Ersteres ist gelungen: Es gibt zwar eine Reduktion von 4,1 auf 3,5 Milliarden; im November war eine Kürzung auf 2,9 Milliarden geplant. Österreich hat 700 Millionen Euro extra für die „Ländliche Entwicklung“ zugestanden bekommen. Weil mehr Länder als geplant vom Topf „Ländliche Entwicklung“ profitieren, verliert Österreich noch 80 Millionen auf sieben Jahre. Das wird durch eine Sonderzahlung von 60 Millionen ausgeglichen.

Dass neben dem Erfolg für Förderungen des ländlichen Raumes auch der ganze Rabatt erhalten bleibt, war nicht zu erwarten, es bleibt der Rabatt auf den Briten-Rabatt (alle Länder müssen das, was sich die Briten sparen, ausgleichen – Österreich zahlt 25 % seines Anteils). Der Nachlass auf den Mehrwertsteuer-Anteil, der nach Brüssel geht, läuft Ende 2013 aus. Es bleiben rund 95 statt bisher 180 Millionen Rabatt pro Jahr.

Dass andere Länder beide Rabatt-Teile leicht angepasst behalten, liegt am Nettobeitrag: Deutschland (0,38 Prozent vom BIP), Schweden (0,35) und die Niederlande (0,37) haben höhere Anteile als Österreich (0,31). Dänemark zahlt nur 0,29 Prozent des BIP, hat aber pro Kopf den größten Anteil – das rechtfertigt den neuen Rabatt von 130 Millionen pro Jahr.

EU-Parlament lehnt Kompromiss ab

Was der Beschluss für Österreich bedeutet
Der künftige Finanzrahmen stößt im Europaparlament auf große Ablehnung. Die vier großen Fraktionen von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen erklärten am Freitag unmittelbar nach dem Gipfelbeschluss in einer gemeinsamen Mitteilung, sie akzeptierten den Kompromiss nicht. "Diese Vereinbarung wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen. Sie ist nicht im Hauptinteresse der europäischen Bürger", erklärten die Fraktionsvorsitzenden.

Auch der österreichische Vize-Präsident Othmar Karas betonte: "Der heutige Vorschlag der Staats- und Regierungschefs zum EU-Budget ist eine Zukunftsverweigerung und treibt die EU in eine strukturelle Schuldenfalle". An eine Mehrheit im Parlament glaubt er nicht.

Was ist der Unterschied zwischen Verpflichtungen und Zahlungen?

Das EU-Budget weist zwei Größen aus: Verpflichtungen stehen für die Gesamtsumme von Finanzierungs-Zusagen, Zahlungen für die Summe der tatsächlich in dieser Periode zu begleichenden Rechnungen. Die Zahlungen liegen immer unter den Verpflichtungen. Für die Jahre 2014–2020 hat man sich auf 960 Milliarden Verpflichtungen und 908 Milliarden Zahlungen geeinigt.

Wer zahlt am meisten ins EU-Budget ein und wer bekommt am meisten heraus?

In absoluten Zahlen ist Deutschland der größte Nettozahler: 2011 hat es neun Milliarden Euro mehr nach Brüssel überwiesen, als es an Förderungen zurück bekommen hat. Es folgten Frankreich (6,4 Mrd.), Italien (5,9) und Großbritannien (5,6). Österreich hat 2011 805 Millionen netto eingezahlt; dieser Betrag dürfte für 2014-2020 auf rund eine Milliarde Euro pro Jahr steigen. Größter Netto-Empfänger ist Polen (2011: elf Milliarden).

Wie kann man die Netto-Beiträge untereinander vergleichen?

Der Nettobeitrag wird mit der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes verglichen. Hier ist wieder Deutschland der größte Nettozahler; für 2014 bis 2020 sind 0,38 Prozent des BIP prognostiziert. Dahinter die Niederlande (0,35) und Schweden (0,35). Für Österreich wird ein Nettobeitrag von 0,31 Prozent des BIP prognostiziert. Erfahrungsgemäß liegt der tatsächliche Wert darunter. Für 2006-2013 waren 0,33 Prozent vorhergesagt, es wurden 0,24 Prozent.

Was sind die größten Brocken im EU-Budget?

Die Agrar-Subventionen sind mit rund 40 Prozent der größte Posten im EU-Haushalt. Den zweitgrößten Teil machen mit mehr als einem Drittel Kohäsions- und Strukturfonds aus. Sie sind hauptsächlich für Infrastruktur-Projekte in ärmeren Ländern der Union gedacht.

Wie tief drücken die Briten Brüssel unter eine Billion Euro? Muss Österreich künftig eine Milliarde mehr einzahlen, als es herausnimmt? Im Poker um das EU-Budget purzeln die Rekorde – nicht bei Einnahmen oder Ausgaben, sondern bei der Dramatisierung einer politischen Rechenübung. Worum geht es bei der jüngsten Gipfelmania, bei der ob der hysterischen Inszenierung viele Augen und Ohren zuklappen? Die 27 EU-Regierungschefs legen fest, wer wie viel in die EU-Töpfe einzahlt und wie viel wofür herausnehmen darf. Um Planungssicherheit für transnationale Projekte zu geben (in Österreich etwa für die legendären Ziel-1-Gebiet-Investitionen im Burgenland), wird der Finanzplan für 7 Jahre geschnürt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich der Interessenausgleich bei Großkalibern wie Merkel & Co am Verhandlungstisch zieht. Beim EU-Budget 2014–2020 kommt erstmals erschwerend hinzu, dass das EU-Parlament mit dem frisch erworbenen Veto-Recht droht.

Das Spektakel mit nächtlichem Sitzungsmarathon und stundenlangen Unterbrechungen wird aber primär für die 500 Millionen Daheimgebliebenen geboten. In britischen Medien lässt sich David Cameron wegen der ersten realen Kürzung des EU-Haushalts bereits als männliche Wiederkehr von Maggie Thatcher feiern.

Nationale Budgets werden undramatischer und schneller durchgepeitscht – obwohl sie politisch und ökonomisch ein viel größeres Gewicht haben. Rechnet man Österreichs Staatshaushalt auf 7 Jahre hoch, dann geben wir im gleichen Zeitraum mit rund 500 Milliarden nur um die Hälfte weniger Geld aus als die EU für 70-mal mehr Menschen. Und stellt man die heiß umfehdete EU-Nettozahlerleistung von 1 Milliarde in Relation zu nationalen Zahlungsverpflichtungen, kommt noch schneller Ernüchterung auf. Österreich gibt allein zur Finanzierung seiner Schulden 8 Milliarden Euro jährlich aus.

Krawallmedien auf Geisterfahrer-Kurs

In einem Land der massenmedialen Geisterfahrer auf EU-Crashkurs kann nicht oft genug gesagt werden: Ohne den EU-Binnenmarkt würde es allen Österreichern dramatisch schlechter gehen. Wenn Brüssel Fördergelder für ärmere EU-Nettoempfänger-Länder streicht, schadet das reichen Netto-Exporteuren wie Österreich viel mehr, als wenn wir noch ein paar Hundert Millionen mehr netto in die EU-Töpfe einzuzahlen haben.

Das mag kurzfristig weniger Dramatik fürs Gipfeltheater am Boulevard hergeben. Da wird der Kanzler mal zum „Mister Rabatt“ aufgeblasen, mal wird ihm nach Belieben wieder die Luft ausgelassen: Wenn Faymann nicht mit einem herzeigbaren Nachlass für Nettozahler im Handgepäck heimkomme, könne er die Nationalratswahl gleich abschreiben. Damit gewinnt man maximal eine Vorstellung im innenpolitischen Kasperltheater – Drehbuch, Regie und an der Kassa: Die Krawallmedienmacher des heutigen Österreich.

Eine überlebenswichtige wachsende Mehrheit im Land für mehr Europa bleibt so eine Fata Morgana wie eine Brüsseler Sitzungsnacht ohne Theaterdonner.

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