Offene Fragen, Länderblockaden: Warum es schon wieder Sorgen mit der EU-Asylreform gibt
Da hat man es in Wien wohl doch ein bisschen zu eilig gehabt. Von Abschiebungen syrischer Flüchtlinge zurück in ihre alte Heimat hatte Innenminister Gerhard Karner gegenüber dem ORF gesprochen. Bundeskanzler Karl Nehammer wieder ließ sich EU-Ratspräsident Antonio Costa ans Telefon holen, um diesem mitzuteilen, dass die EU bei diesen Abschiebungen von Syrern jetzt einmal richtig Gas geben müsse.
Von diesem Gas ist man inzwischen wieder herunter. Wichtige Entscheidungsträger in der EU wie der für Migration zuständige Kommissar, der Österreicher Magnus Brunner, haben klar gemacht, dass man zuerst einmal abwarten und die politische Entwicklung in Syrien beobachten müsse, bevor man jemanden dorthin zurückschicken könne. Auch aus der Europäischen Volkspartei, also der stärksten Fraktion im EU-Parlament, kamen Stimmen, dass es für Abschiebungen zu früh und die Lage viel zu unsicher sei. Karner betont, dass es nur darum ginge, diese Abschiebungen „vorzubereiten. Damit kann man nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten.“
Prestigeprojekt Asylpakt
Doch das ist nicht das einzige Thema aus der bekannt heiklen EU-Problemzone Asyl und Migration, bei der man in Brüssel derzeit wieder vom Kurs abzukommen droht. Das Asyl- und Migrationspaket der EU, das den Umgang mit Asylwerbern in der EU und an deren Außengrenzen neu regeln soll, ist im Vorjahr nach langem Streit beschlossen worden.
Ein Prestigeprojekt, vor allem für die Europäische Volkspartei EVP, die damit auch den Rechtspopulisten wie der FPÖ in die Parade fahren wollte. Die werfen der EU ja vor, die Zuwanderung nicht unter Kontrolle zu bekommen. Europa, so der Plan, sollte einen neuen Umgang mit Migranten finden: strenger, schneller und nach klaren Regeln. So stolz war man auf die Einigung, dass Regierungschefs, darunter auch Österreichs Bundeskanzler, auf eine schnellere Umsetzung drängten als ursprünglich geplant, also noch vor Jahresbeginn 2026.
Stichtag für EU-Länder
Doch davon ist nicht mehr viel zu hören. Inzwischen sind einige Länder aus dem vereinbarten Weg zur Umsetzung des Pakts ausgeschert.
Und das zu einem heiklen Zeitpunkt. Als sich am Mittwoch die EU-Innenminister in Brüssel versammelten, um das weitere Vorgehen zu besprechen, sollten die Pläne aller EU-Staaten für ihre Umsetzung des Asylpakts in Brüssel eingetroffen sein. Im Büro von Migrationskommissar Magnus Brunner. Österreich bastelte bis zuletzt daran, auch weil die Regierungsverhandlungen in Wien Entscheidungen schwierig machen. Trotzdem wollte man rechtzeitig abgeben.
Der muss in den kommenden Monaten mit jedem Mitgliedsland einzeln einen Fahrplan vereinbaren, welche Maßnahmen es umzusetzen hat: von Einrichtungen an den Außengrenzen bis zu einem EU-weit durchgeschalteten Datennetzwerk, mit dem man den Aufenthalt jedes Asylwerbers von seinem Grenzübertritt an feststellen kann.
Ungarn und Polen
Doch schon sind einzelne Länder mit diesen Plänen im Rückstand. Die meisten aus politischen Gründen, wie etwa Ungarn. Dort ist man von der EU-Kommission wegen des menschenrechtswidrigen Umgangs mit Asylwerbern mit Strafzahlungen belegt worden. Im Gegenzug weigert man sich, beim Asylpakt mitzumachen.
Polen wiederum sieht die Probleme an seinen EU-Außengrenzen im Osten zu wenig berücksichtigt. An der Grenze zu Belarus sind immer wieder Gruppen von Asylwerbern aufgegriffen worden, die Weißrusslands Moskau-hörige Regierung gezielt an diese Grenze geschickt hat. Polen will, dass sich die EU mit dieser „Migration, die als Waffe eingesetzt wird“ beschäftigt, Maßnahmen dagegen entwickelt. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, bleibt man beim eigenen Umsetzungsplan bewusst säumig.
Dazu kommen die Niederlande, die unter dem Einfluss des Rechtspopulisten Geert Wilders – er kontrolliert die Regierung –, ständig neue, noch strengere Maßnahmen auf eigene Faust durchsetzen wollen, ganz egal, ob das zum Asyl- und Migrationspakt passt, oder nicht.
Wohin abschieben?
Eine besonders heikle Frage hat man bei der Einigung auf den Pakt außen vor gelassen: Wohin soll man einmal abgelehnte Asylwerber zurückschicken? Diese Rückführrichtlinie ist der Schlussstein für das ganze Projekt, ohne den es nicht einsatzfähig ist.
Gerade da aber sind sich die EU-Staaten gänzlich uneinig: Welche Staaten sind sicher genug, um Migranten dorthin zurückzuschicken? Kann es ein Staat sein, mit dem dieser Migrant gar nichts zu tun hat, wie etwa Albanien, wohin ja Italien seine Migranten auszulagern versucht? Fragen, die jetzt alle auf dem Schreibtisch von Migrationskommissar Brunner landen – und dort werden sie – aus heutiger Sicht – noch eine Weile liegen.
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