Eskalation in Nahost nach Trumps Ausstieg aus dem Atomdeal

Die USA macht Teheran für die drohende Eskalation verantwortlich und rief andere Länder auf, ihren Druck auf den Iran zu erhöhen.

Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran nährt die Eskalation zwischen Teheran und Jerusalem weltweite Sorgen vor einem Krieg in Nahost.

Auf seit Wochen andauernde, Israel zugeschriebene Luftangriffe auf iranische Stellungen in Syrien reagierte der Iran unmittelbar nach der Bekanntgabe Donald Trumps. Die israelische Luftwaffe quittierte dies ihrerseits mit massiven Attacken auf iranische Ziele in dem Bürgerkriegsland. So waren am Donnerstag nach Angaben von Aktivsten mindestens elf Iraner getötet worden. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte am Samstag mit, insgesamt seien 27 prosyrische Kämpfer getötet worden. Von 21 ausländischen Kämpfern seien elf aus dem Iran gewesen.

Die Regierung der Vereinigten Staaten macht Teheran für die drohende Eskalation verantwortlich und rief andere Länder auf, ihren Druck auf den Iran zu erhöhen. Das Verhalten Teherans sei gefährlich und leichtsinnig, heißt es in einer am Freitag verbreiteten Mitteilung des Weißen Hauses. "Die iranischen Revolutionsgarden verwenden Geld dafür, um destabilisierenden Einfluss im ganzen Nahen Osten geltend zu machen, obwohl das iranische Volk zum Opfer einer schwächelnden Volkswirtschaft geworden ist", heißt es in der Mitteilung.

USA erwarten Hilfe von Europa

Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, verdeutlichte in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Europäer müssten sich stärker an Sanktionen beteiligen. "Wir erwarten von unseren Freunden und Verbündeten, dass sie uns dabei helfen, den Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bringen", sagte Grenell.

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erklärte, man habe in Syrien fast alle dortigen Infrastrukturen des Irans getroffen. Dagegen sei keine der 20 von iranischen Streitkräften auf die Golanhöhen abgefeuerten Raketen auf von Israel kontrolliertem Gebiet eingeschlagen. Israel hatte die Golanhöhen 1982 annektiert, was international nie anerkannt wurde.

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, bei dem Angriff in Syrien seien 23 Menschen getötet worden. Die syrische Armee sprach dagegen von drei toten und zwei verwundeten Soldaten.

Auch angesichts der weltpolitischen Lage mahnte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Europäer zugleich zu Stärke und Einigkeit. "Seien wir nicht schwach", sagte er in Aachen, wo er den Karlspreis für sein europäisches Engagement verliehen bekam.

Eskalation in Nahost nach Trumps Ausstieg aus dem Atomdeal

Nahost-Gipfel vorgeschlagen

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schlug vor, die EU müsse einen Nahost-Gipfel einberufen. Die Europäer, "vor deren Haustür diese Eskalation stattfindet", zeigten "bis auf den heutigen Tag viel zu wenig Willen (...) wirklich Verantwortung zu übernehmen und dabei auch politische Risiken einzugehen", kritisierte Röttgen in der Passauer Neuen Presse.

Die britische Premierministerin Theresa May telefonierte am Freitagabend mit US-Präsident Donald Trump, wie die Downing Street mitteilte. Beide seien sich einig gewesen, dass alle Seiten Ruhe bewahren sollten. Gleichzeitig verurteilten sie die iranischen Raketenangriffe und betonten, Israel habe das Recht, sich gegen Aggressionen aus Teheran zu verteidigen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich bei einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas in Moskau beunruhigt und forderte, die Spannungen zwischen Israel und dem Iran im Dialog zu lösen.

Israel wirft Teheran vor, seine Präsenz im Bürgerkriegsland Syrien ausgebaut und viele Waffen dorthin geliefert zu haben. Israel wird für Luftangriffe in Syrien verantwortlich gemacht, bei der auch Iraner getötet wurden. Teheran drohte mit Vergeltung. Der Iran ist neben Russland und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah wichtigster Verbündeter des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad.

Außenminister beraten am Montag

Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte in einem Telefonat mit dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani, wie auch Frankreich und Großbritannien an dem Atomabkommen mit dem Land festzuhalten. Dafür müsse aber auch die Regierung in Teheran ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen weiter erfüllen. Auf dem Katholikentag in Münster verurteilte Merkel das Vorgehen Trumps. Das Iranabkommen sei nicht ideal, dennoch dürfe es nicht einseitig gelöst werden.

Trump hatte am Dienstag bekanntgegeben, dass die USA nicht länger an dem 2015 von sechs Ländern mit dem Iran ausgehandelten Atomabkommen festhalten wollen. Die ausgesetzten Sanktionen würden nun sehr schnell wieder eingeführt. Er warnte den Iran am Mittwoch noch einmal davor, einen Versuch zu unternehmen, eine Atomwaffe zu bauen: "Wenn sie das tun würden, hätte das sehr ernste Konsequenzen."

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens wollen am kommenden Montag mit Vertretern des Irans beraten, ob und wie das Wiener Atomabkommen von 2015 auch ohne die USA gerettet werden kann.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, verteidigte das Atomabkommen. Der Iran sei damit Gegenstand des "stärksten Systems nuklearer Überwachung" geworden, teilte Amano mit. Die IAEA könne bestätigen, dass sich der Iran an alle Vereinbarungen des Atomabkommens halte.

Der für den Iran zuständige IAEA-Chefinspekteur Chefinspektor Tero Varjoranta trat indes zurück. Gründe für diesen Schritt nannte die Behörde am Freitagabend nicht. IAEA-Chef Yukiya Amano habe Varjorantas bisherigen Mitarbeiter Massimo Aparo interimistisch mit der Funktion des Chefinspektors betraut, sagte ein IAEA-Sprecher.

 

Iran-Experte Walter Posch zum Nahost-Konflikt:

Iran-Experte Posch zum Nahost-Konflikt

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