„Es wird eine Herausforderung für König Charles“

Blümchenkrawatte für den Alltag, für alle Fälle aber immer eine schwarze in petto: Diplomat Leigh Turner
Der ehemalige britische Botschafter über die Zukunft der Monarchie

Die schwarze Krawatte für alle Fälle war immer dabei, der Tod der Queen hat ihn nun trotzdem überrascht. Leigh Turner war von 2016 bis 2021 britischer Botschafter in Österreich. Dem KURIER erzählte er jetzt, wie er den Tod der Königin erlebt hat und warum er Kritik an der englischen Monarchie zwar nachvollziehen kann, aber trotzdem an ihren Fortbestand glaubt.

KURIER: Wie haben Sie vom Tod der Queen erfahren?

Leigh Turner: Ich war gerade im Zug von Amsterdam nach London unterwegs. Da kam plötzlich eine Lautsprecherdurchsage: Die Königin ist tot. Natürlich hatten wir alle die Nachrichten verfolgt und waren schon die längste Zeit besorgt gewesen. Im Laufe des Donnerstagnachmittags ist ja zunehmend klarer geworden, dass die Königin vielleicht sterben würde. Trotzdem, als dann diese Durchsage kam, war ich wirklich sehr schockiert.

Persönlich waren Sie schockiert, doch als Diplomat mussten Sie ja immer auf alles vorbereitet sein.

Als ich 1984 Diplomat geworden bin – damals für das Außenministerium des Vereinigten Königreichs in Wien – mussten wir immer eine schwarze Krawatte dabei haben, für den Fall, dass die Königin stirbt. Dieses Szenario begleitet mich also theoretisch schon lange. Die schwarze Krawatte hat mich meine ganze Karriere, über 42 Jahre als Beamter, verfolgt. Nur ein einziges Mal habe ich sie wirklich anziehen müssen, nämlich als der Duke of Edinburgh, der Gemahl der Königin, starb. Der Tod der Königin hat uns nicht unvorbereitet getroffen, aber er war trotzdem ein Schock für das ganze Land.

Der britische Diplomat  Robert Leigh Turner (* 1958) war von 2016 bis 2021 britischer Botschafter in Österreich, von 2008 bis 2012 in der Ukraine. 
Turner ist  Autor mehrerer Bücher. Unter dem Pseudonym Robert Pimm schrieb er Krimis. 2023 erscheint bei Czernin „The Hitchhiker’s Guide to Diplomacy“– ein  Plädoyer für Diplomatie in Zeiten des Krieges. Vivienne Westwood, Paul McCartney und Deep Purple kommen auch vor 

Haben Sie die Queen persönlich gekannt?

Ja, ich habe Sie einige Male getroffen. Als Botschafter hat man immer eine persönliche Audienz bei der Königin, bevor man auf einen neuen Posten geht.

Die Königin war ein Stabilitätsfaktor für England. Wie groß ist die Lücke, die sie hinterlässt?

Da muss ich kurz ausholen und Ihnen von meiner Mutter erzählen. Meine Mutter ist jetzt 93. Sie sagt, wir sollen nicht trauern. Queen Elizabeth war sehr lange Königin, und sie war sehr beliebt. Sie war erfolgreich als Monarchin. Jetzt ist sie im Alter von 96 Jahren gestorben. Sie starb einen guten Tod, ohne Demenz. Es wäre nicht richtig gewesen, wenn sie noch lange hätte weitermachen müssen. Wir sollten uns also für die Königin freuen, dass sie ein so erfolgreiches Leben und einen friedlichen Tod gehabt hat.

Für England war Queen Elizabeth ein Zeichen der Beständigkeit. Wird ihr Sohn das Vakuum, das sie hinterlässt, ausfüllen können?

Queen Elizabeth war tatsächlich ein Felsen, auf dem Großbritannien über 70 Jahre lang stabil gestanden ist. Natürlich hat man jetzt in England ein Gefühl von Unsicherheit, wie alles weitergehen wird. Das wird eine immense Aufgabe für King Charles werden. Aber ich bin zuversichtlich, dass er das gut machen wird.

Kritiker sagen, die Queen sei für etwas gestanden, das nicht mehr zeitgemäß ist, allen voran die Monarchie.

Es gibt seit Jahrhunderten rege Debatten über die Monarchie in Großbritannien. 1649 ist Charles I enthauptet worden. Das ist also keine neue Auseinandersetzung. Natürlich wird es auch jetzt wieder Stimmen geben, die sagen, mit der Monarchie könne es nicht so weitergehen. Auch im 19. Jahrhundert gab es diese Debatte, und sie wird natürlich weitergeführt. Das wird eine Herausforderung für König Charles.

Und was sagen Sie Leuten, die finden, dass der Prunk der Royals in Anbetracht des Zustandes der Welt und der vielen ökonomischen Herausforderungen Großbritanniens vielleicht nicht angebracht ist?

Großbritannien ist in keiner besonders schwierigen Lage, es ist überall schwierig, aber ja, die Debatte wird weitergehen.

Hat die Monarchie Zukunft?

Ja. Aber es wird anders, jetzt, wenn die Königin nicht mehr da ist.

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