Erdogan droht mit Militär-Aktion

Erdogan droht mit Militär-Aktion
Nach dem Abschuss eines türkischen Kampfjets durch Syrien findet der Premier klare Worte: Beim nächsten Mal schlagen wir zurück.

Die Wut über den "feindlichen Akt" Syriens sei groß, meinte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan am Dienstag vor dem Parlament. Daher werde der Abschuss einer türkischen Maschine "nicht unbeantwortet bleiben". Man habe die Einsatzregeln der Streitkräfte geändert und werde künftig auf jede Grenzverletzung und jede weitere Aggression mit militärischen Mitteln reagieren.

Dass Ankara nicht sofort losschlage, ist laut dem Türkei-Experten des Österreichischen Instituts für Internationale Politik, Cengiz G­ünay, dem "beeindruckend positiven Krisenmanagement" nach dem Zwischenfall vom vergangenen Freitag zu verdanken: "Zu den Sitzungen der Regierung mit dem Generalstab wurde auch die Opposition geladen, das ist schon erstaunlich."

Im Land sei den meisten klar, dass etwa Luftschläge als Vergeltungsmaßnahmen die Situation nur weiter eskalieren lassen würden. "Daher bringt man die Sache vor internationale Organisationen, wie die NATO (siehe rechts) oder die UNO", so der Politologe.

Sein Fachkollege in Ankara, Hüseyin Bagci, sieht das ähnlich und nennt einen weiteren Grund für die derzeitige Zurückhaltung: "Nur zehn Prozent meiner Landsleute sind für eine militärische Intervention. Sollte sie dennoch von türkischem Boden aus kommen, dann nur mit internationalem Mandat", sagt Bagci im KURIER-Gespräch. Sehr wohl aber werde Ankara für den Abschuss eine Entschuldigung von Damaskus verlangen und Kompensationszahlungen.

"Kurdenkarte"

Erdogan droht mit Militär-Aktion

Für die Türkei sei ein Waffengang in Syrien auch deswegen sehr riskant, analysiert Cengiz Günay, weil er Auswirkungen auf die eigene Kurdenproblematik habe: "Machthaber Assad hat gegenüber Ankara die ,Kurden-Karte" insofern gespielt, als jetzt in der Grenzregion zur Türkei deutlich mehr Kämpfer der PKK sind als zuvor." Sollte Erdogan hier intervenieren wollen, könnte das die 15 Millionen Kurden in der Türkei auf den Plan rufen – der vom Nordirak aus agierende PKK-Führer Murat Karayilan habe für diesen Fall bereits mit einem "Flächenbrand", den er auslösen wolle, gedroht, so G­ünay zum KURIER.

In Ankara setze man daher weiter auf politischen Druck. Diplomatisch ist der – zumindest bilateral – ausgereizt: Es herrscht Eiszeit, das syrische Botschaftspersonal wurde ausgewiesen, der türkische Vertreter in Damaskus heimbeordert. Also denkt man jetzt daran, die Stromversorgung zu kappen, auch die Verringerung der Wasserdurchflussmengen des Euphrats wäre eine Variante. "Damit trifft man aber primär die Zivilbevölkerung", gibt Günay zu bedenken, "außerdem hätte das auch Auswirkungen auf den ohnehin instabilen Irak."

Also beschränkt sich die Türkei zunächst darauf, was sie seit geraumer Zeit tut: Sie gewährt übergelaufenen Offizieren der syrischen Armee Unterschlupf. Und sie lässt laut Informationen der New York Times CIA-Agenten auf ihrem Territorium gewähren, die Oppositionskämpfer jenseits der Grenze Waffen aus Saudi-Arabien und Katar zukommen lassen.

NATO: Scharfe Mahnung an Syrien

Sonderlich wortgewaltig war Anders Fogh Rasmussen noch nie. Diesmal gab er sich aber besonders wortkarg. Nach dem Treffen des NATO-Rates zum Abschuss eines türkischen Kampfjets über dem Mittelmeer vergangenen Freitag verlas der NATO-Generalsekretär nur ein knappes Statement und beantwortete drei Journalistenfragen. Und, so die Essenz seiner Wortmeldung: Die NATO verurteilt den Abschuss auf "schärfste Weise". Er sei "ein weiteres Beispiel für die Missachtung internationaler Normen, des Friedens, der Sicherheit und des Menschenlebens durch das syrische Regime". Man werde sich weiterhin mit der Lage im östlichen Mittelmeer befassen.

Und auf die Frage, wie die NATO reagieren werde, sollte es zu einem weiteren Vorfall kommen, sagte Rasmussen: "Ich erwarte ganz sicher, dass so etwas nicht passieren wird." Man müsse ansonsten "beraten, was sonst getan werden könnte".

Derzeit wird jedenfalls nichts getan. Und, so Rasmussen, über Artikel 5 sei auch nicht gesprochen worden. Das ist jener Artikel im NATO-Vertrag, der bei einem Angriff auf ein Mitglied kollektive Verteidigungsmaßnahmen aller Mitglieder vorsieht. Aber Rasmussen sandte die Warnung an Syrien: "Ich erwarte, dass Syrien alle nötigen Maßnahmen ergreift, um so etwas in Zukunft zu verhindern."

Das untermauert eine Theorie, wie es zu dem Abschuss gekommen sein könnte: Dass Syrien das   Flugzeug versehentlich als  das eines desertierenden Piloten ausgemacht habe.
Machthaber Assad sprach indes erneut vom Kriegszustand. Im Großraum Damaskus wüteten die schlimmsten Kämpfe seit Beginn des Aufstands.

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