Der Milliardär will mit der "America Party" das politische Kartell sprengen. Er bringt Geld, Macht und Reichweite mit. Doch Geschichte und Wahlsystem sprechen gegen ihn.
Elon Musk hat wieder einmal für einen politischen Paukenschlag gesorgt. Der Tech-Milliardär und mit 360 Milliarden Dollar Privatvermögen derzeit reichste Mensch der Welt kündigte kurz nach dem amerikanischen Unabhängigkeitstag an, eine eigene politische Kraft zu gründen und damit im verkrusteten Zwei-Parteiensystem Republikanern wie Demokraten Konkurrenz zu machen.
Antriebsfeder ist sein enormer Frust über Donald Trumps "verantwortungslose Schuldenmacherei" in dessen Haushaltsgesetz ("big beautiful bill"). Musk verzeiht nicht, dass er für den US-Präsidenten neulich noch den Spar-Kommissar mimen durfte, quer durch den Staatsapparat fegte und Zigtausende Stellen abbaute - alles für die Katz.
Nach einer improvisierten Umfrage auf seinem Kommunikationsportal X erklärte Musk: "Mit einem Verhältnis von 2 zu 1 wollt ihr eine neue politische Partei, und ihr sollt sie bekommen! Wenn es darum geht, unser Land mit Verschwendung und Korruption in den Ruin zu treiben, leben wir in einem Einparteiensystem, nicht in einer Demokratie. Heute wird die America Party gegründet, um euch eure Freiheit zurückzugeben."
Aber wie realistisch ist Musks Vorstoß tatsächlich?
Die Chancen: Geld, Name, Reichweite
Wohl niemand seit Ross Perot, der 1995 als Präsidentschaftskandidat die Reform-Partei ins Leben rief, bringt vergleichbare Startbedingungen mit wie Elon Musk. Er ist einer der bekanntesten Menschen der Welt, kontrolliert mehrere Kommunikationskanäle (allen voran X, vormals Twitter) und verfügt über ein persönliches Vermögen von rund 360 Milliarden Dollar.
"Wer den Algorithmus kontrolliert, kontrolliert den Diskurs", sagte der Politikwissenschaftler Ian Bremmer kürzlich in Bezug auf Musks mediale Allmacht. Anders als Perot kann Musk im digitalen Zeitalter mit einem Fingertipp rund 220 Millionen Menschen direkt erreichen – ohne die Filter der klassischen Medien. Auch inhaltlich könnte sich eine Musk-Partei in einer historisch seltenen Lücke positionieren. Viele Republikaner sind mit Trumps autoritärem Kurs und dessen riskanter Wirtschaftspolitik unzufrieden, viele Demokraten sehen in den eigenen Reihen bisher keinen aussichtsreichen Hoffnungsträger.
Musks technokratisch-libertärer Ansatz könnte vor allem bei jüngeren, unabhängigen Wählern verfangen. Seine zentralen Themen: Technologieförderung, Reduzierung der Staatsausgaben, Deregulierung, Klimaschutz und Meinungsfreiheit. In einem ersten Schritt würde sich Musks neue Partei auf eine Handvoll gefährdeter Wechselwähler-Bezirke konzentrieren, um im Repräsentantenhaus wie im Senat politischen Einfluss zu gewinnen.
Angesichts hauchdünner Mehrheiten im Kongress könnte das ausreichen, um bei umstrittenen Gesetzen das Zünglein an der Waage zu spielen, sagt Musk.
Trotzdem ist viel Skepsis angebracht. Das amerikanische Wahlsystem ist nicht auf Vielfalt ausgelegt. Im Gegenteil: Es begünstigt strukturell die Dominanz von zwei Parteien. Ein zentraler Grund ist das Prinzip, bei dem in jedem Bundesstaat nur der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt. Das erschwert nicht nur den Aufbau lokaler Machtbasen, sondern lässt Drittparteien oft als "Spielverderber" erscheinen, die lediglich einem der beiden großen Lager Stimmen abjagen.
Elon Musk gründet eigene Partei
Hinzu kommen immense organisatorische Hürden. In den meisten der 50 Bundesstaaten muss eine neue Partei überhaupt erst einmal auf den Wahlzettel gelangen – durch den Nachweis von Zehntausenden Unterschriften, Fristen, Dokumentationen. In Texas sind fast 100 000 Unterzeichner nötig. In Kalifornien müssen Neugründungen über Monate hinweg mindestens 0,33 % der registrierten Wähler überzeugen.
Auch wenn Musk ohne Frage die finanziellen Möglichkeiten hat, diese extremen Hürden zu überwinden, kostet es Unmengen an Zeit – hat der auf tausend Hochzeiten tanzende Musk die Geduld für so ein Unterfangen?
Ein drittes Problem ist Musks Polarisierungspotenzial. Zwar hat er Millionen Fans, doch ebenso viele Kritiker. Sein erratischer Kommunikationsstil, seine Tiraden und Verschwörungstheorien auf X und Sympathien für autoritäre Figuren werfen Fragen auf. Die Gefahr, dass er als unberechenbar oder selbstbezogen wahrgenommen wird, ist real und durch jüngste Berichte über seinen Drogen-Konsum (Ketamin) noch gesteigert worden. "Musk ist für die amerikanische Politik, was Kanye West für die Popkultur ist: ein Genie mit Schattenseite", schrieb das Magazin The Atlantic.
Die historische Erfahrung: Ross Perot als Blaupause
Die letzte ernstzunehmende dritte Kraft auf nationaler Ebene war die Reformpartei von Ross Perot. 1992 erreichte der Unternehmer als unabhängiger Präsidentschaftskandidat auf Anhieb 19 Prozent der Stimmen – ohne je ein politisches Amt bekleidet zu haben. Perot überzeugte mit einer Mischung aus Wirtschaftskompetenz und Anti-Establishment-Rhetorik. Doch 1996 schrumpfte seine Bewegung dramatisch. Die Partei zerfiel in Lagerkämpfe, ihr charismatischer Gründer verlor an Interesse.
Das Fazit: Selbst Millionenstimmen nutzen wenig, wenn keine Struktur, kein Team und kein Programm dahinterstehen. Ein weiteres historisches Beispiel ist die "Bull Moose Party" von Theodore Roosevelt im Jahr 1912. Sie errang 27 Prozent – und verschwand schnell wieder. Solche Episoden zeigen: Es reicht nicht, beliebt zu sein. Es braucht Institutionen. Und das entsprechende Personal.
Republikaner wie Demokraten haben über Jahrzehnte ein Geflecht an Gesetzen, Medienkooperationen und juristischen Praktiken geschaffen, das Neugründungen systematisch benachteiligt, wenn nicht gar verunmöglicht. Die Wahlkampf-Finanzierung ist reguliert, Parteidebatten sind exklusive Runden, die Medienzugänge werden stark über Parteistrukturen gesteuert.
Eine dritte Partei steht anfangs ohne diese Infrastruktur da, auch wenn Musk mit seinen 220 Millionen Anhängern auf X ein anderes Kaliber ist. Zudem fehlen ihr erfahrene politische Figuren. Wer sich einer neuen politischen Bewegung anschließt, riskiert seine Karriere, seine Glaubwürdigkeit und oft die Wiederwahl. Deshalb gelingt es selten, hoch qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl zu binden.
Musks Einstieg in die Parteipolitik, wenn auch klar als Rachefeldzug gegen seinen einstigen Buddy Donald Trump konzeptioniert, könnte die amerikanische Debatte zweifelsohne beleben. Er hat die Mittel, die Reichweite und die Vision, um kurzfristig Aufmerksamkeit zu generieren. Langfristig aber droht sein Projekt an den Realitäten des amerikanischen Wahlsystems, an personellen Engpässen und seinem Hang zur Selbstinszenierung zu scheitern.
"Das System ist nicht unbesiegbar, aber es ist immun gegen Launenhaftigkeit", sagt die Politikwissenschaftlerin Barbara Perry. Wenn Musk es ernst meint, braucht er einen ultra-langen Atem, ein hochkarätiges Team und einen Plan, der über Schlagzeilen hinausgeht. Sonst bleibt von seiner Bewegung nur ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte gescheiterter dritter Wege.
Kommentare