Italien: Mitte-Rechts-Block siegt, Meloni stellt Führungsanspruch
Bei den Parlamentswahlen in Italien zeichnet sich laut Hochrechnungen ein klarer Wahlsieg der Mitte-Rechts-Allianz um die Wahlfavoritin und Rechtsaußen-Politikerin Giorgia Meloni ab. Die Mitte-rechts-Koalition dürfte laut den von RAI 1 veröffentlichten Exit Polls auf 41,1 Prozent der Stimmen kommen. Meloni erhob bereits Anspruch auf Regierungsbildung.
Melonis rechtspopulistische "Brüder Italiens" (FdI - Fratelli d ́Italia) dürfte mit 21,6 Prozent der Stimmen als stärkste Einzelpartei abschneiden.
Die sozialdemokratische Demokratische Partei (PD) von Expremier Enrico Letta sollte demnach 19,4 Prozent erobert haben. Die Sozialdemokraten gestanden ihre Niederlage bereits ein, sie wollen in die Opposition gehen, wie Debora Serracchiani, die Fraktionschefin des Partito Democratico (PD) im Abgeordnetenhaus, sagte.
Auf Platz drei sollte es Fünf Sterne Bewegung mit 16,5 Prozent der Stimmen schaffen.
Die mit Meloni verbündete Lega um Ex-Innenminister Matteo Salvini muss sich laut den vom Meinungsforschungsinstitut Opinio Italia mit 8,5 Prozent der Stimmen begnügen.
Meloni erhebt Anspruch auf Regierungsbildung
Meloni sieht den Regierungsauftrag beim rechten Lager unter Führung ihrer Partei. Die Italiener hätten an den Wahlurnen ein klares Zeichen gesendet, sagte Meloni. Sie sprach von einer "Nacht des Stolzes" und einer "Nacht der Erlösung".
Zu ihren Anhängern sagte sie, man sei nicht am Ort der Ankunft, sondern am Ort des Aufbruchs. Nun sei Einigkeit gefragt, um die vielen Probleme im Land anzugehen. "Wenn wir dazu aufgerufen werden, diese Nation zu regieren, werden wir dies für alle Italiener tun, mit dem Ziel, das Volk zu vereinen, das Verbindende zu fördern und nicht das Trennende", sagte Meloni vor Journalisten. Man werde das Vertrauen der Wähler nicht missbrauchen.
Ehre und Bürde
In Italien spricht man von Ehre und Bürde, das Land zu führen. Diesmal wird die Bürde besonders schwer sein. „Zu beneiden ist die nächste Regierung und ihre Führung nicht“ meint Nicola Nobile, Wirtschaftsexperte des Instituts Oxford Economics, zum KURIER. Bis Jahresende muss das Haushaltsgesetz unter Dach und Fach sein. Außerdem stehen noch wichtige Reformen und Gesetze aus, um Anfang 2023 die fällige Tranche von 22 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds zu bekommen.
Hinzu kommen die wachsende Inflation und die horrenden Energiepreise. „Noch wichtiger ist es also, den Unternehmen und Familien wegen der Energiepreise unter die Arme zu greifen“, sagt Nobile. Das würde aber bedeuten, neue Schulden aufzunehmen. Der scheidende Premier Mario Draghi hatte sich immer strikt dagegen ausgesprochen. „Mittlerweile haben sich aber auch Deutschland und Frankreich dazu entschlossen und konsistente Hilfspakete geschnürt. Und ich denke, dass sich auch Draghi, wäre er nicht zurückgetreten, letztendlich dazu entschlossen hätte“, sagt Nobile.
Draghi hat während seiner 18 Monaten an der Regierungsspitze gute Arbeit geleistet, vor allem am Anfang, als die Parteien seiner breiten Koalition ihm willig folgten. Voriges Jahr hievte er Italien aus den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, das Wachstum betrug 6,4 Prozent, ein weit besseres Ergebnis als die Wirtschaftsexperten vorhergesehen hatten. Auch dieses Jahr ist ein Plus von etwas über drei Prozent vorgesehen.
2.760 Mrd. Euro Schulden
Für das kommende Jahr sollen es aber, wenn überhaupt, nur mehr, 0,4% Prozent sein. Und die Staatsverschuldung ist auch unter Draghi gestiegen und lag Ende August bei 2.760 Milliarden Euro. Außerdem gelang es ihm nicht, die Politik der Boni abzuschaffen.
Weiter blieben, wie erwähnt, wichtige Reformen, darunter die des Wettbewerbs, auf der Strecke, weil sich mehrere Parteien widersetzten. Vor allem die Lega, zu deren Klientel die Taxifahrer und Strandbetreiber zählen. „Das wird uns noch Schwierigkeiten in der EU bringen“ meint Nobile.
Draghi hat der neuen Regierung eine geordnete, übersichtliche Übergabe versprochen, damit sie reibungslos und ohne Zeitvergeudung weiter arbeiten kann. Das Mitte-Links-Bündnis hatte im Wahlkampf versichert, an der Draghi-Agenda festhalten zu wollen. Nicht so das Rechts-Mitte-Bündnis: Giorgia Meloni wollte eine Revision der Umstände des Wiederaufbaufonds. Matteo Salvini, Chef der nationalpopulistischen Lega, setzt auf Neuverschuldung.
Wann eine neue Regierung stehen wird, ist noch völlig offen. Fest steht, dass am 13. Oktober die erste Sitzung des neuen Parlaments stattfindet. Danach müssen die Präsidenten der zwei Kammern gewählt werden, sowie die Fraktions- und Ausschussvorsitzenden. Wohl erst um den 18. Oktober herum wird Präsident Sergio Mattarella mit den Beratungsgesprächen zur Regierungsbildung beginnen.
Aus Mailand von Andrea Affaticati
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