Ein Papyrus als trotziger Beleg

Ein 2700 Jahre alter Frachtbrief mit dem Schriftzug „Jerusalem“.
Die UNESCO negiert die jüdische Bedeutung des Tempelbergs – Jerusalem reagiert mit einem sensationellen Schriftstück.

Archäologie ist immer auch Politik. Zumindest in Jerusalem. Erst recht nach einer umstrittenen UNESCO-Abstimmung zum Tempelberg, der Juden, Christen und Muslimen als heilig gilt: In ihr wurde erneut nur auf die muslimische Geschichte der El-Aksa-Moschee Bezug genommen, mit keinem Wort jedoch der jüdische Tempel erwähnt, aus dem Jesus vor 2000 Jahren die Händler vertrieben haben soll.

Ein Papyrus als trotziger Beleg
Jewish worshippers welcome the Shabbat, Hebrew for Sabbath, a day of religious observance and abstinence from work, kept by Jews from Friday evening to Saturday evening, by praying at the Western wall, the holiest site where Jews can pray, on October 14, 2016 in Jerusalem's Old City. Israel suspended cooperation with UNESCO after the UN cultural organisation adopted two resolutions on the occupied Palestinian territories including annexed east Jerusalem ahead of a final vote next week. The resolutions refer to the Al-Aqsa mosque compound (background) in east Jerusalem's Old City -- Islam's third holiest site -- without any reference to the site also being revered by Jews as the Temple Mount. / AFP PHOTO / MENAHEM KAHANA
Ein 2700 Jahre altes Schriftstück kommt da sehr gelegen, wenn auf ihm der Name Jerusalem in althebräischer Schrift gut lesbar ist. Eine Sensation – wenn sie denn echt ist.

Israels Premier Benjamin Netanyahu hatte keine Zweifel: Er präsentierte einen Tag nach der UNESCO-Abstimmung ausländischen Besuchern eine Kopie. "Sie sehen einen Brief aus der Vergangenheit. Direkt an den UNESCO-Exekutivrat", verspottete er dabei die Kultur-Organisation der UNO.

Die Zeitgleichheit der Präsentation mit dem mehrfach verschobenen UNESCO-Dekret konnten die Archäologen jedenfalls als Zufall glaubhaft machen. Ihre Konferenz in Jerusalem zu weiteren Funden um den Tempelberg war schon seit Längerem geplant.

Noch länger dauerte die Untersuchung des Fundes durch Prof. Schmuel Achituv (Hebräische Universität) und Eytan Klein von der Altertumsbehörde. Der Papyrus war bereits vor vier Jahren bei Grabräubern sichergestellt worden.

Ein Frachtbrief

Mit der äußerst genauen C-14-Methode ist das Alter des Papyrus zweifelsfrei bewiesen. Gilt das aber auch für die Schrift? Von den Archäologen befragte Schriftexperten waren sich dabei über die Lesart einig. Ein Frachtbrief mit Ladung, Absender und Adresse: "Von der Dienerin des Königs – aus Naharata – Weingefäße – an Jerusalem."

Interessant ist gerade der alltägliche Zusammenhang. Solche "außerbiblischen" Schriftstücke sind extrem selten. Wobei die kurze Inschrift mehrere Hinweise zulässt. Eytan verwies auf die Könige Menasche, Amon oder Josiah, die um diese Zeit regierten. Sie erhielten Steuerzahlungen aus einem Ort im Jordan-Tal. Er liegt nicht in der direkten Umgebung Jerusalems. Was auf eine zentrale Stellung der Stadt schließen lässt.

Unerwarteter ist die Tatsache, dass in diesem Ort eine Frau in leitender Stellung arbeitete. Sogar mit Unterschriftsberechtigung. Einem Fälscher dürfte eine solche Beschreibung zu gewagt gewesen sein. Professor Achituv: "Wäre ich ein Fälscher, ich hätte mir gängigere Sätze einfallen lassen." Er verwies auch auf die Faltung des Papyrus, der mit einem Schleifchen eingebunden war. Uralter Papyrus ist im Fälscher-Umfeld leicht zu kaufen. Es gibt auch begnadete Schriftfälscher. Das Werk dann aber auch noch auf diese Art "original" zu verpacken, mutet allzu gewagt an.

Bleibt das Problem des unbekannten Fundorts. "Irgendwo" in der Wüste Judäa ist zu ungenau. Was sie nicht selbst ausgraben, weckt bei Archäologen sofort Zweifel. Solche äußerten bislang Christopher Rollston von der George-Washington University und Aharaon Meir von der Bar-Ilan-Universität. Sie sprechen keineswegs von einer Fälschung. Doch fordern sie weitere Analysen, um auch letzte Zweifel auszuräumen. Meir an die Entdecker: "Ich glaube euch ja. Aber viele andere werden dies nicht tun."

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