Gleichzeitig erntet Ungarn von allen Seiten Kritik: Ungarn stellt sich gegen Öl- und Gas-Sanktionen gegen Russland, weigert sich, Waffenlieferungen durch das Land zu lassen. Dafür brechen mittlerweile selbst enge Verbündete wie die Polen und Slowenien weg.
Ungarns Beziehung zur Ukraine ist eine angespannte – nicht erst seit des russischen Angriffskrieges und der politischen Nähe Viktor Orbáns zu Kremlchef Wladimir Putin. „Der Konflikt ist so alt wie der Nationalismus selbst“, erklärt Erin K. Jenne von der Central European University (CEU). Die Beziehung zwischen Budapest und Kiew sah Jenne vor Kriegsausbruch „auf einem historischen Tiefpunkt.“
Seit 1920 existiert die ungarische Minderheit, einst in der Sowjetunion, heute in der Ukraine. Damals musste Ungarn im Vertrag von Trianon ein Drittel seiner Bevölkerung und zwei Drittel seiner Territorien abgeben. Unter Ministerpräsident Orbán ist das „Trianon-Trauma“ zu einem wesentlichen Narrativ in der ungarischen Gesellschaft geworden – genauso wie die Auslandsungarn in Rumänien und Ungarn ins Zentrum seiner Innen- und Außenpolitik rückten: „Orbán hat den Schutz der Rechte aller Ungarn, ganz gleich, wo sie leben, zur Pflicht des Staates erkoren“, sagt Jenne.
Etwa 130.000 Ungarn lebten zuletzt in Transkarpatien (in der Westukraine) – etwas unter zwölf Prozent der Bevölkerung der Region. Heuer könnte die Zahl erstmals unter 100.000 fallen: Etwa 30.000 Ungarn sollen aufgrund des Krieges bisher aus der Ukraine geflüchtet sein – darunter auch Männer, die mit ihrer Doppelstaatsbürgerschaft vor der Einberufung zum Krieg flüchten.
Die Fidesz-Regierung erleichterte die Vergabe der ungarischen Staatsbürgerschaft, unterstützt die Auslandsungarn finanziell und sichert sich dadurch Einfluss, lautet der Vorwurf von Kiew. „Die ungarische Minderheit wird deswegen als feindlicher, illoyaler Teil der Bevölkerung gesehen“, so die Forscherin. Die Fronten verhärteten sich, als die Ukraine 2017 ein Gesetz verabschiedete, das Ungarisch als Unterrichtssprache ab der fünften Klasse verbot. Ungarn sah das als Angriff auf die eigene Nationalität, blockierte im Gegenzug die Zusammenarbeit der Ukraine mit der NATO. Immer wieder kommt es zu Anschlägen in der Region – ob Ukrainer, Russen oder Ungarn selbst dahinterstecken, ist oft nicht eindeutig. Kiew wiederum beschuldigte Budapest, die ukrainischen Kommunalwahlen 2020 beeinflusst zu haben.
Trotz aller Konflikte ist die Hilfsbereitschaft der ungarischen Zivilbevölkerung gegenüber den Flüchtlingen groß: Rund 600.000 Flüchtlinge sind mittlerweile nach Ungarn gekommen. Von diesen haben allerdings lediglich 16.400 einen Antrag auf Asyl gestellt.
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