Und dann ging es auf einmal ganz, ganz schnell: Ausgerechnet das Europäische Parlament, dessen Abgeordnete immer so stolz sind auf ihre Kompromissfähigkeit über alle Parteigrenzen hinweg, scheiterte vor zwei Wochen an einem der wichtigsten Klimagesetze: Der Emissionshandel in Europa sollte reformiert werden – also jener Handel mit so genannten Verschmutzungsrechten, der bisher 11.000 Unternehmen in der EU vor die Wahl stellte:
Entweder sie investieren in klimafreundlichere Produktion oder sie müssen Verschmutzungsrechte kaufen.
Diese Methode hatte Erfolg. Die Treibhausgas-Emissionen sanken seit Einführung des Systems vor 17 Jahren um 43 Prozent. Es sollte daher massiv ausgeweitet werden – aber wie schnell und wie sehr, darüber gerieten die EU-Abgeordneten einander in die Haare.
Leichte Verbesserung
Doch binnen weniger Tage war der Flop verdaut, ein Kompromiss wurde gezimmert. Heute, Mittwoch, steht er im Plenum des EU-Parlaments in Brüssel zur Abstimmung. Dieses Mal ist der Durchbruch gewiss.
Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, geht „mit einem lachenden und weinenden Auge in die Abstimmung“, sagt er zum KURIER. Der Deal zwischen Liberalen, Christdemokraten und Sozialdemokraten sei eine leichte Verbesserung zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission. „Aber bitter ist, dass sich die Fossil-Industrie-Lobby und die Konservativen durchgesetzt haben und es noch 10 Jahre gratis Verschmutzungszertifikate für die Industrie geben wird.“
Der Emissionshandel in Europa wird auf alle gewerblichen Gebäude und den kommerziellen Verkehr ausgeweitet. Auch der Schiffverkehr wird künftig Verschmutzungsrechte kaufen müssen.
Das Ziel: Insgesamt muss der CO2-Ausstoß in allen vom EU-Emissionshandel abgedeckten Sektoren bis zum Jahr 2030 um 63 Prozent sinken.
„Wir stärken das Prinzip: ‚Wer verschmutzt, bezahlt’“, meint dazu Günther Sidl, SPÖ-Abgeordneter in Straßburg. Gratis-Verschmutzungszertifikate für die Industrie wird es zwar weiter bis 2032 geben, doch nach Wunsch der Europäischen Volkspartei hätte es sie noch bis 2034 geben sollen.
Sidl: „Mit dem früheren Auslaufen von Verschmutzungszertifikaten setzen wir klare Anreize für die Dekarbonisierung der Industrie.“
Grenzausgleich
Gleichzeitig soll ein sogenannter CO2-Grenzausgleichmechanismus eingeführt werden. Das bedeutet: Für Produkte, die unter klimaschädlicheren Bedingungen im EU-Ausland produziert wurden, müssen beim Import in die Union Abgaben gezahlt werden. Das schütze, so Sidl, „den Standort Europa vor Abwanderung und Dumping“.
Die Europäische Volkspartei hat sich für den vorliegenden Kompromiss auf die Klimaschützer zubewegt. Eine Lösung, „mit der wir sicher stellen“, meint ÖVP-EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber, „dass wir die ambitionierten Klimaschutzziele bis 2030 erreichen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze schützen“.
Ergebnis im Herbst
Kommende Woche werden auch noch die EU-Umweltminister in Luxemburg ihre gemeinsame Position abstecken. Dann müssen noch EU-Parlament und Regierungen einen Kompromiss finden. Spätestens im Herbst dürften die neuen Vorgaben für den Emissionshandel in der EU endgültig feststehen.
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