Donald Trumps Nahostpolitik wird zu Joe Bidens Räuberleiter

Mike Pompeo macht seine Abschiedstour mit Ehefrau Susan
Außenminister Pompeo in Israel, das mit Bahrain + Emiraten eine Achse bildet; Biden kann die Palästinenser wieder an den Tisch holen

Mike Pompeo kam am Mittwoch nach Israel: ein letztes Mal und nur noch als scheidender US-Außenminister. Er selbst weigert sich, das Wort Regierungswechsel in den Mund zu nehmen. Doch alle seine Gastgeber haben Joe Biden als designierten Präsidenten der USA offiziell anerkannt. Auch wenn fast alle Regierungschefs dieser Region Donald Trump offen nachtrauern.

Noch kurz vor Pompeos Landung telefonierten Joe Biden und Israels Premier Benjamin Netanjahu, der Biden offen als designierten US-Präsidenten ansprach. Netanjahu duzt sich mit Biden seit Jahrzehnten. Länger als mit Trump. Aber die alte Freundschaft muss jetzt stark aufpoliert werden. Netanjahus Wahleinsatz für Trump hat unter Demokraten viel Unwillen erregt. Die ersten Monate können bleiern werden.

Ziel der Pompeo Nahost-Rundreise ist nicht mehr Zukunftsplanung. Nichts Konkretes. In Israel sitzt Bahrains Außenminister Abdellatif al Sajani mit am Tisch. Auch Bahrain hat jetzt diplomatische Beziehungen mit Israel wie die benachbarten Vereinigten Emirate. Für die arabische Welt nach Jahrzehnte langem Boykott Israels ein Neuansatz.

Er wurde dort mit unerwarteter Sachlichkeit aufgenommen. Sogar die palästinensischen Proteste fielen überraschend schwach aus. Unter dem Radar und im Schatten der iranischen Drohpolitik am Golf liefen enge Beziehungen schon seit Jahren, Trump hat sie offiziell gemacht. Biden will mit Iran ein neues Nuklear-Abkommen aushandeln. Auch das ist keine Überraschung: Das wollte Trump auch.

Am Tag der Landung Pompeos nahmen die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomie wieder ihre Zusammenarbeit mit der israelischen Armee auf. Präsident Mahmud Abbas hatte sie nach Netanjahus Ankündigung einer Annexion besetzter palästinensischer Gebiete abgebrochen. Die dann aber ausblieb.

Geändert hat sich nichts

Und die Trump-Maßnahmen zwischen Jordan-Fluss und Mittelmeer in den letzten Jahren? Von der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, der Anerkennung der Annexion der Golan-Höhen bis hin zur neuen US-Politik, nicht alle Siedlungen als illegal einzuordnen – auf dem Boden der Tatsachen in Nahost änderte sich für Palästinenser wie Israel praktisch nichts.

So ist auch der jetzt geplante Besuch Pompeos in zwei Siedlungen ein „erstes Mal“ für die US-Außenpolitik, aber wieder nur ein Signal. Trump knüpfte an politische Schritte Bill Clintons und anderer Vorgänger an. Und auch Joe Biden wird Trumps Schritte nicht ausradieren. Er wird sie neu ausbalancieren. Trump werden die Finger wehtun – doch seine Politik wird zu Bidens Räuberleiter. Biden kann die Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch holen, der aber neu gedeckt sein wird.

Norbert Jessen, Tel Aviv

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