Dominic Raab: Ein Karatemeister gegen das Coronavirus
„Sobald man vor die Tür tritt, findet man eine Vielzahl von Feinden vor“ – diese Sechzehnte von zwanzig Karate-Regeln dürfte Dominic Raab derzeit oft durch den Kopf gehen. Eine Vielzahl von Feinden hat seinen Parteifreund und Premierminister kampfunfähig gemacht – Boris Johnson liegt mit Covid-19 auf der Intensivstation. Jetzt liegt es an Raab, den Kampf gegen das Coronavirus fortzuführen.
Somit steht der 46-Jährige jetzt dort, wo er vor rund neun Monaten sein wollte: An der Spitze der britischen Regierung. Im Sommer 2019 schied er im Kampf um das Erbe Theresa Mays gegen Johnson aus, bekam dann das Amt des Außenministers. Im Zuge der Brexit-Verhandlungen ein logischer Schritt aus der Sicht Johnsons – Raab war bereits als Brexit-Minister als euroskeptischer Hardliner aufgefallen.
Dass er jetzt an der Spitze steht, hat Raab dem Premier persönlich zu verdanken – in Großbritannien gibt es kein fixes Amt des stellvertretenden Regierungschefs. Johnson hat ihn selbst ausgewählt. Die bedingungslose Loyalität nach seiner Niederlage im Sommer hat sich für Raab ausgezahlt.
Ein Grund, warum er gegen Johnson das Nachsehen hatte, ist Raabs fehlende Nähe zur breiten Masse. Der ehemalige Jurist wirkt oft verbissen, hölzern. Aussagen wie: „Der typische Empfänger einer Essensausgabe ist keiner, der an Armut leidet; es ist jemand, der ein Cashflow-Problem hat“, kosteten ihn Sympathien in der Bevölkerung. In einem kurzen Fernsehauftritt am Montagabend war ihm die Anspannung deutlich anzumerken - was angesichts der Krise kaum verwunderlich, doch als Regierungschef ein schwerer Fehler ist.
Fehlerlos scheint Raabs Karriere zu sein: Nach einem Jus-Studium an den Elite-Universitäten Oxford und Cambridge begann er eine Karriere als Rechtsanwalt, bevor er im Jahr 2000 in den diplomatischen Dienst eintrat. Er arbeitete einige Zeit in Den Haag, wo er die Verfolgung von Kriegsverbrechern unterstützte. 2010 wurde er erstmals ins House of Commons gewählt, galt rasch als Zukunftshoffnung der Tories. Bald darauf krachte er mit der damaligen Innenministerin Theresa May zusammen, als er sagte: „Feministinnen gehören heute zu den widerlichsten Fanatikern.“
Dennoch schaffte er es trotz seiner eindeutigen Haltung zum Brexit, innerhalb der Partei gute Beziehungen zu den verschiedensten Lagern zu unterhalten. In Zeiten wie diesen ein Vorteil. Im Kampf gegen die Vielzahl an Corona-Fällen muss sich Dominic Raab jedoch erst beweisen.
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