Portugal: Hohe Beteiligung bei Präsidentenwahl trotz Pandemie

Presidential elections in Portugal
Portugal wählte mitten in der immer schlimmer werdenden Coronakrise. Hoffnung und Unverständnis für Wahlen während der Pandemie. Präsident kann Amt wohl behalten.

Ungeachtet der sehr schlimmen Corona-Krise in ihrem Land sind die Portugiesen bei der Präsidentenwahl am Sonntag nach ersten amtlichen Angaben in überraschend großer Zahl zu den Urnen gegangen. Bis zur Mittagszeit hätten etwas mehr als 17 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, teilte die nationale Wahlbehörde CNE in Lissabon mit. Das ist deutlich mehr als bei den Präsidentenwahlen der Jahre 2016 (ca. 15,8) und 2011 (ca. 13,4) zum gleichen Zeitpunkt.

Umfragen zufolge dürfte der beliebte konservative Amtsinhaber Marcelo Rebelo de Sousa beim ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen, womöglich ist aber eine Stichwahl Mitte Februar nötig. Der rechtspopulistische Kandidat André Ventura hoffte auf einen Achtungserfolg.

Trotz des derzeitigen Corona-Lockdowns war die Wahlbeteiligung ersten Erhebungen zufolge nicht so niedrig wie befürchtet. Vor einigen Wahllokalen bildeten sich nach Medienberichten lange Schlangen. Die Wähler wurden zur Eindämmung der Corona-Pandemie nur einzeln eingelassen. Die Lehrerin Fatima Cristo sagte vor einem Wahllokal in einer Bücherei, sie sei zufrieden mit der Organisation der Wahl. "Es ist nicht allzu einschüchternd, trotz all der Angst", sagte die 63-Jährige.

Der 54-jährige José Barra sagte: "Nichts hätte mich von der Stimmabgabe abgehalten, aber ich denke, dass beispielsweise ältere Menschen sowohl vom Virus als auch von den Schlangen abgeschreckt werden." Experten hatten wegen der Corona-Pandemie im Vorfeld vor einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent gewarnt.

"An alle, die wählen können und wollen: Überwindet eure Ängste", rief Rebelo de Sousa die Bürger bei seiner Stimmabgabe im nordportugiesischen Celorico de Basto auf. Dank Beachtung der Corona-Schutzregeln und der Geduld der Portugiesen laufe der Urnengang im ganzen Land problemlos, so der 72 Jahre frühere Jus-Professor und TV-Journalist.

Da die Briefwahl in Portugal kaum verbreitet ist, hatten die Behörden vor einer Woche bereits eine vorgezogene Stimmabgabe organisiert. Fast 200.000 Bürger wurden dabei in den Wahllokalen gezählt.

Insgesamt 9,8 Millionen Portugiesen sind zur Wahl aufgerufen, davon 1,5 Millionen im Ausland. Erste Prognosen werden nach Schließung der Wahllokale ab 21.00 Uhr (MEZ) erwartet.

Bisher wurden in Portugal alle vier Präsidenten seit dem Ende der Diktatur 1976 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Sollte sich keiner der insgesamt sieben Kandidaten in der ersten Wahlrunde durchsetzen, wäre am 14. Februar eine Stichwahl fällig.

In Portugal wurde zuletzt eine extreme Zunahme der Corona-Infektionen festgestellt. Dies wird weitgehend auf die Ausbreitung der besonders ansteckenden Corona-Mutante B.1.1.7 zurückgeführt, die zunächst in Großbritannien festgestellt worden war. Landesweit gilt seit eineinhalb Wochen ein zweiter Lockdown; fast alle Geschäfte, Restaurants sowie mittlerweile auch die Schulen sind geschlossen. Wegen der besorgniserregenden Infektionslage war der traditionelle Wahlkampf-Endspurt gestrichen worden.

Gegen Rebelo de Sousa treten unter anderem der 38-jährige Gründer der Anti-Establishment-Partei Chega (Genug), Ventura, an sowie die frühere sozialistische Abgeordnete Ana Gomes. Rebelo de Sousa wurden in Umfragen 58 Prozent der Stimmen vorausgesagt, der 72-Jährige ist beliebt im Land. Rebelo de Sousa stammt aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei (SDP), die in Portugal aber im konservativen Lager beheimatet ist. Innerhalb der SDP zählte er sich aber selbst zum linken Flügel.

Mit dem Chef der Minderheitsregierung, dem Sozialisten António Costa, arbeitet der moderat konservative Präsident einträchtig zusammen. Außerdem gibt es viele sympathische Anekdoten über ihn: Dass er in Bermuda-Shorts geduldig an der Supermarktkasse wartet, bis er an der Reihe ist, dass er sein Essen mit Obdachlosen teilt und dass er ins Meer springt, um zwei Mädchen, deren Boot umgestürzt ist, zu Hilfe zu eilen.

Der portugiesische Staatschef kann sowohl sein Veto gegen Gesetze einlegen, als auch das Parlament für vorgezogene Neuwahlen auflösen. Er wird für fünf Jahre gewählt, maximal zwei Amtszeiten sind möglich. Für Portugal ist es die zehnte Präsidentenwahl seit der Nelkenrevolution von 1974.

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