Die Schottland-Wahl und die Frage nach der Unabhängigkeit
„Das ist die wichtigste Wahl in Schottlands Geschichte“, es gibt keinen anderen Satz, den Nicola Sturgeon in diesen Wochen auch nur annähernd so oft wiederholt. „Wenn die Schotten die „Kraft haben, einig zu werden“, erklärt die amtierende Regierungschefin in Edinburgh ständig, dann sei das „das Beste für alle“.
Regionalwahl als Scoxit-Barometer
Doch nach dieser Einigkeit sieht es derzeit einfach nicht aus. Denn bei den Regionalwahlen in Schottland heute, Donnerstag, geht es unterm Strich um eine einzige Frage: Nimmt Schottland erneut Anlauf auf die Unabhängigkeit? Und genau in dieser Frage, so das Ergebnis der jüngsten Umfragen, ist das Land gespalten: 50 Prozent für die Unabhängigkeit, 50 Prozent dagegen. Sechs Jahre nachdem sich die Schotten 2014 mit klarer Mehrheit gegen die Unabhängigkeit ausgesprochen haben, scheint der nächste politische Schritt in Edinburgh völlig ungewiss.
Brexit-Unmut
Das sah vor einigen Monaten noch deutlich anders aus. Die in Schottland regierende sozialdemokratische SNP nützte den in Schottland grassierenden Unmut über den Brexit, um lauter denn je nach einem neuen Referendum zu rufen. Beim ersten Referendum 2014 hatten sich viele Schotten gegen die Unabhängigkeit ausgesprochen, um nur ja nicht aus der EU geworfen zu werden. Doch dann kam 2016 und das Brexit-Referendum. Den Schotten half es nichts, sich dabei klar für die EU auszusprechen. Man war Teil Großbritanniens und musste man die Union verlassen.
Sturgeon nützte die Stimmung, um laut nach einem Referendum zu rufen, stilisierte die Regionalwahlen zur Volksabstimmung über die Unabhängigkeit. Wenn die SNP eine klare absolute Mehrheit erhalte, dann sei der Zug in die Unabhängigkeit abgefahren. London könne dann nicht mehr Nein zu einem neuerlichen Referendum sagen.
Innere Zerwürfnisse
Doch diese absolute Mehrheit scheint außer Reichweite. Das liegt weniger an der Lust der Schotten auf eine eigene Nation, sondern eher am geschwundenen Vertrauen in die SNP.
Die Partei, die das Land politisch dominiert, ist mit inneren Zerwürfnissen beschäftigt. Auslöser ist der ehemalige schottische Regierungschef Alex Salmond, der seit Jahren in eine Affäre um sexuelle Übergriffe verwickelt ist. Zwar wurde Salmond zuletzt vor Gericht von den schwersten Vorwürfen freigesprochen, doch politisch bleibt weiterhin einiges an ihm kleben – und damit auch an der SNP und Nicola Sturgeon. Die hatte nämlich ihren einstigen politischen Mentor gedeckt und das Parlament getäuscht.
Schließlich aber stellte sie sich gegen ihn, was der machtbewusste Salmond als Verrat empfand. Er rächte sich, indem er eine eigene Partei gründete, mit der er jetzt bei den Wahlen antritt und die die SNP wichtige Stimmen kosten könnte. Der Ruf nach Unabhängigkeit ist im parteipolitischen Getöse untergegangen. Vorerst.
Referendum
Der britische Premierminister David Cameron und Schottlands Erster Minister Alex Salmond schlossen 2012 ein Abkommen über die Abhaltung eines Referendums, das 2014 stattfand
55 Prozent
der Schotten stimmten 2014 gegen die Unabhängigkeit. Das Ergebnis überraschte, nachdem lange eine Mehrheit für die Abspaltung war
50 Prozent
der Schotten sind derzeit für die Unabhängigkeit. Das Land ist also in der Frage exakt geteilt
Kommentare