„Seien Sie nicht überrascht, dass Johnson zugab, ein Idiot zu sein – es war seine letzte Verteidigungslinie“, watschte der Telegraph den Chef der konservativen Tories ab. Der Mirror empfahl ihm in bissig-sarkastischem Ton einen Sehtest. Denn Johnson „könnte einen Raum mit Champagnerbrunnen, mit einem Kühlschrank voller Carling, mit einem Butler samt Silbertablett und sogar mit Caligula mit dessen Lieblingspferd betreten – er würde (es nicht sehen) und annehmen, dass irgendjemand irgendwo Protokoll führt (beim Arbeitstreffen)“.
Viel Medienecho bekamen vier Tory-Mandatare, die Johnsons Rücktritt forderten, und Fragen, ob ihm nach dem bald erwarteten Ende einer Untersuchung von Lockdown-Partys ein Misstrauensvotum drohe. Denn Johnsons Ansehen ist schwer angeschlagen. Die Folge: Die Labour Partei hat ihren Vorsprung laut einer neuen Umfrage auf zehn Prozentpunkte ausgebaut, so klar wie zuletzt Ende 2013.
Für eine Misstrauensabstimmung sind Briefe von 54 Tory-Mandataren nötig. Wie viele eingegangen sind – manche meinen eine Handvoll, andere mehr als 20 – ist bisher unklar. Gute News für Johnson hatte da die Daily Mail und titelte „Operation Save Boris“, weil sich sein Kabinett hinter ihn stellt. Wermutstropfen: Zwei Kollegen, die weithin als mögliche Nachfolger Johnsons gehandelt werden, twitterten erst spät ihre Unterstützung.
Außenministerin Liz Truss, 46, die ähnlich wie Johnson populistische Instinkte hat und sich nicht immer diplomatisch ausdrückt, gilt mit einem Fokus auf Patriotismus und Freiheit als Darling der konservativen Basis. Sie „stehe zu 100 Prozent“ hinter Johnson, sagte sie, und lobte den Chef, weil er mit Brexit, Impfprogramm und Konjunktur Resultate liefere.
Dem auf sein Image bedachten Finanzminister und Ex-Banker Rishi Sunak, 41, wird ein diffiziles Verhältnis zu Johnson nachgesagt. Der Sohn indischer Immigranten tritt für Budgetdisziplin und niedrigere Steuern ein, hat aber in der Corona-Krise an Beliebtheit eingebüßt. Dass er Johnsons Entschuldigung als „richtig“ beschrieb, sahen manche als „lauwarme“ Solidarität. Mit Hinweis auf einen Arbeitstag voller Besuche und Gespräche (statt Teilnahme an der Parlamentsdebatte um Johnson) schien sich Sunak auch mehr ins rechte Licht rücken zu wollen.
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