Mindestens 1.000 Kilometer muss der Abstand zum russischen Luftraum betragen, wenn 60 Kampfflugzeuge der NATO dieser Tage zu ihren Atomwaffenflügen abheben. So soll jeder potenzielle, brandgefährliche Zwischenfall vermieden werden. Dabei sind die F-16-Jets aus 14 verschiedenen NATO-Ländern gar nicht mit Atombomben bestückt. Geflogen wird beim zweiwöchigen Training ausschließlich mit Attrappen.
Dennoch musste sich die NATO die Frage gefallen lassen: Ist es wirklich notwendig, eine Atomwaffen-Übung abzuhalten, während Russlands Präsident Putin bereits mit dem Einsatz von Atombomben droht?
"Routine"
Das jährlich im Oktober abgehaltene Manöver sei eine „routinemäßige, wiederkehrende Ausbildungsmaßnahme“, hieß es darauf vonseiten des westlichen Militärbündnisses. Geübt wird im Luftraum über Belgien, Großbritannien und der Nordsee. Trainiert wird, wie US-Atombomben aus den Bunkern hervorgeholt und an den Kampfflugzeugen montiert werden. Und wie sie im Ernstfall abgeworfen würden.
„Diese Übung wurde geplant, lange bevor der Ukraine-Krieg begonnen hat“, bestätigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Russland sei darüber informiert. Eine Absage der Übung „Steadfast noon“ stand nicht zur Diskussion: „Das wäre ein völlig falsches Signal gegenüber Russland“, sagte Stoltenberg. Im Gegenteil gehe es um ein Signal der Abschreckung – und um den Beweis, dass die NATO im Ernstfall in der Lage wäre, Atomwaffen einzusetzen.
Die NATO selbst besitzt keine Atomwaffen. Das Bündnis verlässt sich vielmehr auf die drei Atomstaaten unter seinen 30 Mitgliedern – USA, Großbritannien und Frankreich. Allein die USA habenrund hundert Atombomben in Europa gelagert, zwischen zehn und zwanzig davon auf dem belgischen NATO-Luftwaffenstützpunkt im flämischen Kleine Brogel.
Der Schutz und die Bewachung der Waffen verschlingt jährlich rund 100 Millionen Dollar, etwa 3.000 US-Soldaten sind rund um die Uhr damit beschäftigt. Amerikanische Atombomben sind bereits seit mehr als vierzig Jahren in Belgien eingelagert. Weitere US-Atomwaffenlager befinden sich in Deutschland, den Niederlanden und Italien. Zudem sollen sich auf US-NATO-Stützpunkten in der Türkei weitere 50 Atombomben befinden.
Auch Russland könnte demnächst eine Übung für seine Nuklearstreitkräfte durchführen. Jüngste Aktivitäten auf dem nordwestrussischen Militärflughafen Olenja nahe der norwegischen Grenze dürften laut Experten darauf hindeuten. Die russische Übung „Grom“ („Donner“) wird nach Angaben der USA ebenfalls jedes Jahr durchgeführt. Doch könnte sich hinter der Übung dieses Mal eine Vorbereitung für einen Angriff verstecken?
Die NATO gibt sich zuversichtlich, dass sie jede russische Nuklearaktivität während der Übung genau feststellen kann. „Wir werden das überwachen, wie wir es immer tun. Und natürlich werden wir nicht zuletzt angesichts der verschleierten nuklearen Drohungen, die wir von russischer Seite gesehen haben, wachsam bleiben“, versicherte NATO-Generalsekretär Stoltenberg.
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