Familie, Job, Haushalt – Herausforderungen gehören für Mütter zum Alltag. Müttern in der Ukraine ist vor gut zwei Monaten durch den russischen Angriff eine weitere Herausforderung erwachsen: der Krieg.
Ihm begegnen Zehntausende Frauen, viele davon mit Kindern, nicht durch Flucht, sondern indem sie als Teil der ukrainischen Truppen gegen die Invasoren kämpfen. Sie konterkarieren so das Bild, das noch immer in vielen Köpfen über Frauen im Krieg vorherrscht: das des alleinigen Opfers.
In den Vordergrund
Während die Zahl weiblicher Armeeangehöriger in Russland seit der Jahrtausendwende von rund acht auf vier Prozent fiel, stieg sie in der Ukraine seit 2013/’14 stark an. Grund waren die Proteste gegen die damalige pro-russische Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch, die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und die Machtübernahme pro-russischer Rebellen in der Ostukraine.
Heute stellen Frauen rund 16 Prozent der ukrainischen Streitkräfte (in Österreich sind es 4 %). Und es werden täglich mehr.
In der Ukraine gehörten Frauen bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg den Streitkräften an. Zwar gab es immer auch Frauen, die zu den Waffen griffen, die meisten blieben aber im Hintergrund. Sie übernahmen administrative oder medizinische Aufgaben, arbeiteten als Büroangestellte, Näherinnen oder Psychologinnen.
Heute ist der Einsatz weiblicher Armeeangehöriger deutlich sichtbar: Seit einigen Jahren dürfen sie offiziell an Kampfeinsätzen teilnehmen.
Streitkräfte
Die aktuelle Truppenstärke des regulären ukrainischen Militärs ist nicht bekannt. Vor dem Krieg betrug sie westlichen Schätzungen zufolge rund 200.000. Dazu kamen Hunderttausende Reservisten sowie Freiwilligenverbände, die Teil der Armee sind
Zuwächse
Nach Kriegsbeginn traten Zehntausende Menschen den Streitkräften und Freiwilligenverbänden bei, darunter viele Frauen
15 Prozent
der regulären Armee bestand im März nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew
aus Frauen.
In Russland sind es vier Prozent
Social-Media-Stars
Etliche, zumeist jüngere Soldatinnen, produzieren während dieser Einsätze Fotos und Videos, die eifrig in sozialen Medien geteilt werden – als Symbol des ukrainischen Widerstandsgeists.
Eine dieser internet-affinen Frauen ist Tetyana Chubar. Die 24-jährige gelernte Konditorin und Mutter zweier kleiner Kinder wurde bekannt, als sie auf Tiktok ein Video aus dem Inneren eines Panzers postete, in dem sie die Befehle gibt.
Wenn Chubar, die sich im Internet „Princeska 13“ nennt, im Einsatz ist, passen ihre Eltern auf die Kinder auf.
„Die Kinder fragen mich oft, warum wir kämpfen“, sagte sie der Onlinezeitung The New Voice of Ukraine. „Ich antworte ihnen, dass es keinen anderen Weg gibt.“
Zwar kinderlos, aber ebenfalls wegen ihrer Social-Media-Präsenz auch außerhalb der Ukraine bekannt, ist Alina Mykhailova. Die 27-Jährige kämpfte bereits 2014 im Donbass, arbeitete später als Stadträtin in Kiew und trat zu Jahresbeginn wieder der Armee bei.
Ex-Soldatin als Vizepremier
Noch bekannter als Internet-Stars wie Chubar oder Mykhailova ist eine andere Frau in Kampfmontur: Iryna Wereschtschuk. Die Vize-Premierministerin der Ukraine und Mutter eines Sohnes war früher Soldatin. Sie informiert die Weltöffentlichkeit seit Kriegsbeginn über wichtige Entwicklungen, etwa auf Facebook.
Zudem ist sie für die Verhandlungen mit Russland über humanitäre Korridore für Zivilisten aus umkämpften Gebieten zuständig.
Rund 5,5 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben seit Ende Februar aus der Ukraine geflohen. Die meisten waren Frauen und Kinder, da Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten ist.
Rückkehr, um zu kämpfen
Einige Hunderttausende Ukrainer, darunter laut Beobachtern mehr Frauen als erwartet, haben allerdings den umgekehrten Weg genommen. Sie sind aus dem Ausland, wo sie gearbeitet oder studiert haben, in die Ukraine zurückgekehrt.
In der Heimat kümmern sie sich um alte Verwandte, unterstützen die Truppen, indem sie Tarnnetze knüpfen, Uniformen nähen oder für Freiwilligenbataillone kochen. Und viele wollen selbst kämpfen.
Manche Frauen reisen nur kurz ins Ausland, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen, und kommen dann zurück – wie die 38-jährige Yuliia Katelik, die von Euronews porträtiert wurde. Sie brachte ihre drei Kinder nach Polen und meldete sich dann bei einer Einheit, die für die Entschärfung von Landminen zuständig ist.
Vor Kurzem verbrachte Katelik knapp drei Wochen im Kosovo, wo sie ausgebildet wurde. Sie mache das, um ihren Kindern nach dem Krieg ein sicheres Leben in der Ukraine zu ermöglichen, berichtete Euronews. Ein Motiv, das man bei vielen kämpfenden Müttern findet.
„Ein bekannter Spruch besagt, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine Frau steht“, schreibt das Onlinemedium The Conversation und stellt mit Blick auf den Krieg gegen Russland fest: „Hinter dem Erfolg der ukrainischen Armee steht eine Armee ukrainischer Frauen.“
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