Der russische Waffenproduzent Kalaschnikow ist einer der großen Gewinner im Ukraine-Krieg: Der Staatskonzern erhält Großaufträge der Armee. Und profitiert von den Sanktionen des Westens.
Vom Vietnamkrieg über Afghanistan, vom Jugoslawienkrieg über den Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo 2015 bis zum Krieg in der Ukraine: Eine Waffe ist immer dabei, und das ist das automatische Gewehr des Typs AK-47, besser bekannt unter dem Namen des Entwicklers, Michail Kalaschnikow.
Sie gilt als die meistgebaute und meistgenutzte Schusswaffe aller Zeiten: Schätzungen gehen von mindestens 100 Millionen Exemplaren aus; selbst Jahrzehnte alte, noch aus der Sowietzeit stammende Kalaschnikows werden im aktuellen Krieg benutzt - auf beiden Seiten.
Der Grund dafür ist simpel: Einerseits ist die Kalaschnikow günstig in der Produktion. Gleichzeitig braucht man, anders als bei ähnlichen Waffen aus westlicher Produktion, keinerlei Ausbildung, um mit dieser Waffe umzugehen. Eine AK-47 ist einfach auseinanderzunehmen und zu reinigen. Die Waffe gilt als äußerst zuverlässig, auch bei Regen und Kälte, ob im Wüstensand und im Schlamm. Passende Munition ist weltweit problemlos verfügbar.
Seit Kriegsbeginn erhält der Staatskonzern nicht nur Großaufträge von der russischen Armee, sondern scheint auch von den Sanktionen des Westens zu profitieren. Und das, obwohl der Konzern selbst seit dem russischen Einmarsch auf die Krim 2014 auf der Sanktionsliste steht.
Apple-Ersatz
In einem Interview mit der Moskauer Wirtschaftszeitung Kommersant spricht Haupteigner Alan Luschnikow von dem neuen Aufgabengebiet, das sich durch die Sanktionen erschlossen hat: Das Unternehmen plane, anderen russischen Unternehmen, die von den Sanktionen betroffen sind und denen jetzt etwa Produktionsteile aus dem Westen fehlen, auszuhelfen – etwa bei Mikroelektronik. Schon jetzt ist Kalaschnikow im Maschinenbau, im Automobilsektor, im Schiffbau und bei Medizintechnik aktiv.
Apple exportiert zum Beispiel seit Kriegsbeginn nicht mehr nach Russland. Kalaschnikow könne bei solchen Projekten seine langjährige Erfahrung mit Mikroelektronik einbringen, sagte Luschnikow.
Einen Mangel an Mikrochips, die heutzutage in fast allen elektronischen Geräten stecken, gäbe es bis dato keinen, sagt Luschnikow: "Es ist unmöglich, Russland von der gesamten elektronischen Komponentenbasis der Welt zu isolieren, das ist eine Utopie." Dennoch räumt der Haupteigner ein, dass sich die Sanktionen auf die Aktivität des Unternehmens auswirke. "Es gibt Probleme, aber wir lösen sie."
Sie ist das Symbol für die Feuerstärke Russlands: Die 1947 entworfene "Wunder-Waffe", wie sie vom russischen Bildungsministerium genannt wird, soll "mehr Menschen getötet haben als Artilleriefeuer, Luftbombardierungen und Raketenbeschuss" in der Geschichte der Menschheit.
Der Konzern gehört zu knapp 75 Prozent dem früheren Vize-Eisenbahnministers Alan Lushnikov, der die Anteile vom früheren stellvertretenden Verteidigungsminister Alexej Krivoruchko übernommen hat, als dieser auf Sanktionslisten gelandet war. Der Rest gehört dem staatlichen Rüstungsunternehmen Rostec.
2021 erwirtschaftete der Waffenproduzent laut Luschnikow einen Umsatz von 36 Milliarden Rubel (aktuell 575 Millionen Euro). Für 2022 sind 40 Milliarden Rubel geplant.
Zuletzt ist trotz Sanktionen ein Gemeinschaftsunternehmen in Indien zur Produktion des Gewehrs AK-203 in Betrieb gegangen. Ein Projekt für eine Sturmgewehr-Fabrik in Venezuela läuft laut Lushnikov trotz Verzögerungen weiter. In beiden Fällen unterstütze die staatliche russische Rüstungsexport-Firma Rosoboronexport das Unternehmen.
Den Krieg in der Ukraine benennt Luschnikow im Interview übrigens natürlich nur als "Spezialoperation". Er selbst steht noch nicht auf der EU-Sanktionsliste – auch wenn es seines Erachtens nur eine Frage der Zeit ist. Fürchten tut er sich davor nicht: "Ich habe keine Immobilien im Ausland, keine Konten. Meine Familie ist hier, also ist mein ganzes Leben mit Russland verbunden. Ich habe keine Angst", sagt er im Interview.
250.000 Tote im Jahr
Dafür ist die weltweite Angst vor der Kalaschnikow wahrscheinlich umso größer: Tatsächlich dürfte die überwiegende Zahl aller in Kriegen und Bürgerkriegen seit Mitte der 1950er-Jahre umgekommenen Menschen durch Schüsse aus einer AK-47 und ihren zahlreichen Varianten und Nachbauten gestorben sein. Dem Moskauer Bildungsministerium zufolge sind es jedes Jahr eine Viertelmillion Tote durch Projektile aus AK-Gewehren.
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