Nachspiel für Orbán: EU-Kommission geht gegen LGBTQ-Gesetz vor
Die Allianz Arena in München darf am Mittwochabend nicht in bunten Farben leuchten, anderswo sollten die Stadien dafür umso heller strahlen: In vielen Städten wie Berlin, Köln, Wolfsburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main setzten Betreiber ein Zeichen für Toleranz und Gleichstellung.
Regenbögen gegen Orban
Ein Statement, das die Stadt München vor dem Spiel Deutschland gegen Ungarn setzen wollte. Doch die UEFA lehnte ab. Ihr Präsident Aleksander Čeferin erklärte, dass der Regenbogen zwar "kein politisches Symbol" sei, die Anfrage, die Arena in dessen Farben erstrahlen zu lassen, aber eine politische.
Zuvor argumentierte der Dachverband, dass er unpolitisch wäre und die Botschaft aus München auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abziele.
Dieses hat ein Gesetz der Regierung von Viktor Orbán gebilligt, das unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vorsieht, die Minderjährigen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Zudem soll Werbung verboten werden, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.
Homophobe Beschlüsse
Es reiht sich in eine Serie von Regelungen ein, die Menschenrechtsorganisationen als homophobe Zensur nach russischem Vorbild bezeichnen. Seit dem Vorjahr ist es in Ungarn unmöglich, nach einer Geschlechtsangleichung das geänderte Geschlecht in amtliche Dokumente eintragen zu lassen. Homosexuelle dürfen keine Kinder adoptieren.
Die Entscheidung der UEFA, die sich Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung auf die Fahnen heftet, stieß auf viel Kritik. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dessen Partei Orbán gerne als Gast hofierte, zeigte sich enttäuscht: Die Beleuchtung wäre ein "Signal, das für die Freiheit unserer Gesellschaft steht".
Bedauern äußerte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – es gehe um europäische Werte und nicht um eine neutrale und unpolitische Haltung der UEFA. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach sich gegen das ungarische Gesetz aus. Sie halte es für "falsch und auch mit meinen Vorstellungen von Politik nicht vereinbar".
Vertragsverletzungsverfahren möglich
Ein Nachspiel könnte es auf EU-Ebene geben. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist das Gesetz "eine Schande". Menschen würden "aufgrund ihrer sexuellen Orientierung" diskriminiert – was gegen "fundamentale Werte" der EU verstoße.
In einem Schreiben an die ungarische Regierung sollen rechtliche Bedenken ausgeführt werden. Sollte sie die Vorwürfe nicht entkräften können, dürfte Brüssel nach Inkrafttreten des Gesetzes ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dies könnte mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes enden.
EU-Rauswurfsdrohungen nach homophoben Orban-Gesetz
"Zutiefst besorgniserregend"
Eine Reihe von Mitgliedsstaaten, angeführt von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, hatte zuvor die Kommission aufgefordert, gegen das Gesetz vorzugehen. Die Behörde müsse "alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente" gegen das "diskriminierende" Gesetz nutzen.
Auch Österreich schloss sich der Kritik an. "Die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die LGBTQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Personen, die sich als "queer" bezeichnen Anm.) sind zutiefst besorgniserregend", erklärte Europaministerin Karoline Edtstadler. "Die gestrige Anhörung im Rat in Luxemburg konnte unsere Besorgnis nicht entkräften, sondern hat sie im Gegenteil bestätigt."
Ungarns Regierungschef sieht das anders. Orbán appellierte, das UEFA-Verbot zu akzeptieren. "Ob das Münchner Fußballstadion oder ein anderes in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung". In Budapest gehören ihm zufolge auch "die Regenbogenfarben selbstverständlich zum Straßenbild".
Zuletzt als Zeichen des Protests. Tausende Menschen gingen vor einer Woche mit Regenbogenfahnen auf die Straße, um gegen das neue Gesetz zu demonstrieren. Wie man dort die UEFA-Entscheidung beurteilt?
István Blumental hat Verständnis: "Ein Stadion in Regenbogenfarben ist selbstverständlich eine politische Botschaft, besonders in Ungarn. So eine Reaktion würde Orbán in die Hände spielen. Er wird sofort mit Gegenangriffen reagieren und sein Bild als Landesverteidiger stärken." Sein Freund Tamas Deszö widerspricht: "Das ist keine politische Botschaft, das sind Menschenrechte. Selbstverständlich sollte das in Ordnung sein."
Einen kleinen Schwenk vollzog am Mittwoch noch der Deutsche Fußballverband. Er verteidigte anfangs die UEFA, unterstützte dann das Verteilen von 10.000 Regenbogenfahnen vor den Toren des Münchner Stadions.
Mitarbeit: Sven Beck, Budapest
Kommentare