Man kann nur verhandeln, wenn ein Vorschlag am Tisch liegt. Die britische Regierung will das Austrittsabkommen ändern, aber wie sie es ändern will, wissen wir nicht. Worüber also verhandeln? Die britische Seite muss sich klar werden, was sie will. Wir sind immer verhandlungsbereit.
Was würde passieren, wenn man die Nordirland-Lösung (Backstopp) aus dem Austrittsabkommen streichen würde, wie es Johnson verlangt?
Dann wäre die Gefahr groß, dass nach Ende der Übergangsphase Ende 2020 die harte Grenze zu Irland Realität wird. Das will auch Johnson nicht. Aber er sagt nicht, wie er es verhindern will. Die immer wieder ins Gespräch gebrachten alternativen Lösungen existieren nicht. Es gab den ursprünglichen Vorschlag, dass Nordirland in der EU-Zollunion bleibt oder wie jetzt im Austrittsabkommen festgelegt, dass das gesamte Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibt. Andere Alternativen gibt es nicht.
Sieht die EU Johnsons Ankündigungen nur als Theaterdonner, um den Druck zu erhöhen?
Nein, was Johnson sagt, wird in Brüssel sehr ernst genommen. Das ist eine sehr ernste Situation, besonders für Großbritannien. Denn diejenigen, die bei einem harten Brexit am meisten draufzahlen werden, werden die Briten sein.
Ist die EU ausreichend auf einen harten Brexit vorbereitet?
Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet, schon seit März. Aber es wird negative Folgen geben, man kann nur versuchen, sie zu minimieren. Ein harter Brexit wäre für die EU managebar, auch wenn es nicht unser Wunschszenario ist. Wir wollen weiter einen geregelten Brexit.
Würde die EU einer weiteren Verlängerung zustimmen, wenn Premier Johnson darum ansuchen würde?
Das wurde noch nicht besprochen. Aber ein harter Brexit hätte hohe wirtschaftliche und politische Kosten, weil er die Vertrauensbasis zwischen der EU und Großbritannien nachhaltig schädigen würde. Daher war die EU immer der Meinung, lieber noch einmal zu verlängern als in dieses Szenarion hineinzustürzen.
Was wäre nach einem harten Brexit zu erwarten? Wie würde es weitergehen?
Wir hätten dann mit dem größten wirtschaftlichen Partner der EU vor unserer Haustür keine Regelungen zum Handelsverkehr. Aber all dies muss aber geregelt werden.
Das ist auch so eine britische Fehleinschätzung: Selbst wenn sie bei einem harten Brexit rauskrachen, muss weiter eine Lösung für das Nordirland-Problem gefunden werden. Alle Grundprobleme blieben auf dem Tisch. Man braucht weiterhin eine Lösung für die Bürger, die in den anderen Ländern wohnen; für die Schulden, die die Briten bei uns haben.
Auch das zukünftige Handelsabkommen wird viel schwieriger zu schließen sein. Das jetzige Austrittsabkommen braucht nur noch vom EU-Parlament gebilligt zu werden, während die zukünftigen Verträge die Zustimmung aller 27 nationalen EU-Parlamente brauchen. Und dann werden die Staaten vielleicht wieder ihre bilateralen Themen hineinpacken, das wird nicht so einfach werden. Was etwa wird Spanien zu Gibraltar sagen? Die Briten gewinnen nichts, wenn sie auf den harten Brexit hoffen. Im Gegenteil.
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