Skurriles Gender-Nein: Viktor Orbáns Blockade-Politik

Skurriles Gender-Nein: Viktor Orbáns Blockade-Politik
Ungarns Parlament gab grünes Licht für Finnlands NATO-Beitritt, nicht aber für Schweden und auch nicht für ein neues EU-Abkommen.

Am Montagabend hatte das lange Warten für Finnland ein Ende. Da ratifizierte Ungarns Parlament nach monatelangem Hinhalten als vorletzter NATO-Staat den Beitritt Finnlands zum westlichen Militärbündnis.

Das ebenso beitrittswillige Schweden aber lassen der ungarische Premier Viktor Orbán und seine rechts-nationalen FIDESZ-Abgeordneten weiter zappeln. Einer der vermeintlichen Gründe: Eine Reihe von FIDESZ-Mandataren quäle das Gewissen, einen Staat in die NATO aufzunehmen, der Ungarns Rechtsstaatlichkeit anzweifele.

Nein zu "Gender Equality"

Mit dem nur halben Ja zu den beiden skandinavischen Ländern behält Orbán einen Trumpf in der Hand. Er kann indirekt weiter Druck auf die EU-Institutionen machen.

Denn während die EU noch immer mehr als 13 Milliarden Euro aus ihren Töpfen für Ungarn blockiert, bremst der ungarische Regierungschef eben an anderer Stelle.

So etwa beim geplanten Abkommen mit dem Globalen Süden. Dieser jahrelang ausverhandelte Vertrag mit 79 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP-EU-Abkommen) könnte seit zwei Jahren in Kraft sein – wäre da nicht Ungarn.

Budapest verweigert die Ratifizierung und blockiert damit wegen der nötigen Einstimmigkeit unter den EU-Staaten alles.

Die Gründe: Die Bestimmungen des Vertrages über die Rückführung von Migranten sei zu schwach, heißt es dazu aus Ungarn. Dem hält wiederum EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen entgegen: „Das ist das umfassendste gesetzlich bindende Rahmenwerk, was Rückkehr, Wiederaufnahme und illegale Migration mit diesen Ländern betrifft.“

Und an noch etwas stößt sich die Regierung in Budapest: An den Formulierungen des Vertrages – genauer gesagt an der „Geschlechter-Perspektive“ und der „Geschlechter-Gleichheit“ (gender-perspective; gender equality).

Orbáns politischer Direktor versicherte der Financial Times: Ungarn werde den Vertrag nicht ratifizieren, wenn der Text nicht geändert würde.

Schon einmal, vor einem EU-Sondergipfel, hatte sich Ungarn gegen das Wort „gender-equality“ quergelegt. Es wird als ideologisch markiert angesehen – und abgelehnt. Damals hatte sich Ungarn mit einer umständlichen Umschreibung durchgesetzt.

"Europa braucht Afrika"

„Alles hängt jetzt an Ungarn“, schildert der SPÖ-EU-Abgeordnete Hannes Heide. Der mit dem Vertrag bestens vertraute EU-Mandatar befürchtet eine „fatale Botschaft“, sollte es zu keinem Beschluss des AKP-EU-Vertrages kommen.

Deadline ist Ende Juni – dann läuft das alte Abkommen ersatzlos aus. „Und dann wäre das Verhältnis mit diesen Ländern in Afrika, der Karibik und Pazifik auf Jahre hinaus zerstört“, sagte Heide zum KURIER.

„Man sollte nur nicht glauben“, warnt er, „dass Europa nicht auch Afrika braucht. Man denke nur an die Rohstoffe und Mineralien.“ Das blockierte Abkommen regelt weite Bereiche der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit zwischen EU und den 79 Ländern.

Doch diese scheint Ungarn offenbar derzeit wenig bedeutsam – und doch wichtig genug, um damit zu pokern. Als Druckmittel gegen Brüssel, um die zurückgehaltenen Milliardenzahlungen freizubekommen.

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