Die Blamage von Tulsa: Wie Trump von TikTok-Teenagern getrollt wurde
800.000 Tickets seien für die Wahlkampfveranstaltung in Tulsa bereits angefragt worden, verlautbarte Trumps Wahlkampf-Manager noch vergangenen Sonntag auf Twitter. Eine Million sollen’s dann schon am Montag gewesen sein. Der Abend in Tulsa im US-Bundesstaat Ohio hätte Trumps großes Wahlkampf-Comeback werden sollen. Die erste Rally seit Ausbruch der Corona-Pandemie - eine Trotzaktion ohne Sicherheitsabstand und Mundschutz.
Die Realität am Samstagabend sah dann deutlich trister aus.
Trumps Anhänger waren zwar dicht gedrängt, allerdings nur am "Parkett". Rund ein Drittel der Ränge blieb leer, die lokale Feuerwehr sprach von gerade einmal 6200 Besuchern in dem 19.000 Menschen fassenden BOK Center im Zentrum von Tulsa. Eine Blamage.
Vor bald vier Jahren, bei seiner Inauguration wollte sein Team die überschaubare Menschenmenge noch mit „alternativen Fakten“ erklären. Der Begriff prägte die ersten Jahre von Donald Trumps Präsidentschaft.
Und diesmal? Hatte Trump-Fans letztlich doch noch die Sorge um das Coronavirus ergriffen? Oder fürchteten sie tatsächlich die Demonstranten, die im Vorfeld des Events auf die Straßen von Tulsa gingen? Das war jedenfalls die Erklärung seines Wahlkampf-Teams. Viele Trump-Fans seien wohl wegen sich abzeichnender Proteste am Veranstaltungsort "beunruhigt" gewesen, sagte Kampagnen-Mitarbeiterin Mercedes Schlapp am Sonntag im Sender Fox News.
Oder war gar wieder einmal die „Lügenpresse“ schuld? Schließlich habe die ihn durch falsche Corona-Berichterstattung davon abhalten wollen, direkt mit dem amerikanischen Volk zu kommunizieren, beschwerte sich Trump in seiner Rede.
Wer am Sonntag auf der App TikTok surfte, bekam eine ganz andere Erklärung präsentiert.
TikTok und K-Pop
Die eine Million Ticketanfragen, mit denen Wahlkampfmanager Pascale in der Vorwoche noch geprahlt hatte, waren wohl tatsächlich eingetroffen. Allerdings viele davon von Menschen, die nie vor hatten, zu der Veranstaltung auch wirklich zu kommen. Wie die New York Times am Sonntag berichtete, stammten sie von jungen TikTokern.
In Videos, die von Millionen von Nutzern gesehen wurden, hatten sie auf der App TikTok dazu aufgerufen, Plätze für die Arena in Tulsa zu reservieren. Auch auf Instagram und Snapchat fanden sich solche Aufrufe. "Oh nein, ich hab mich für die Trump Rally angemeldet - und jetzt kann ich nicht kommen", scherzte eine Userin bereits am 15. Juni. Es ist nur einer von Tausenden ähnlichen Postings - wobei viele Nutzer ihre Beiträge nach nur wenigen Stunden wieder löschten, um ein Auffliegen der Aktion zu verhindern.
Dicht gedrängt vor leeren Plätzen: Bilder vom Trump-Auftritt in Tulsa
Insbesondere K-Pop-Fans nutzten in den vergangenen Monaten zunehmend Online-Netzwerke, um sich politisch bemerkbar zu machen. "K-Pop-Twitter" ist quasi eine eigene Social-Media-Blase - das "K" steht für Korean, und "Korean Pop" ist noch einmal eine ganze andere Geschichte wert, die Sie zum Beispiel hier nachlesen können.
Wie die Futurezone berichtet, flutete diese gut organisierte und vernetzte Fanszene bereits rassistische Hashtags wie #WhiteLivesMatter mit Bildern von koreanischen Pop-Bands oder ließ die Postings der Verschwörungsbewegung QAnon in einer Flut koreanischer Popmusik untergehen.
Und diesmal eben Trump.
Wie groß der Einfluss der Aktion war, lässt sich letztlich nur schwer messen. Für einige hunderttausend Reservierungen wollen die User laut NYT verantwortlich sein.
Trumps Wahlkampfmanager Parscale wollte die Blamage am Sonntag nicht eingestehen. "Linke und Online-Trolle drehen jetzt eine Siegesrunde, weil sie glauben, sie hätten unsere Rally irgendwie beeinflusst", schrieb er auf Twitter. "Sie wissen nicht, wovon sie reden oder wie unsere Veranstaltungen funktionieren." Immerhin hätte man sich laut Parscale mit einer Telefonnummer anmelden müssen.
Corona-Tests "ein zweischneidiges Schwert"
Inhaltlich hatte Trump an diesem Abend übrigens auch einiges zu bieten. 90 Minuten lang sprach er zu seinen Super-Fans. Coronavirus-Tests seien für ihn ein „zweischneidiges Schwert“, sagte er. Die hohen Fallzahlen in den USA - kein Land weist mehr bestätigte Infektionen aus - kämen dadurch zustande, dass die Vereinigten Staaten weitaus mehr Menschen auf das Virus testen würden als andere Staaten. "Also habe ich zu meinen Leuten gesagt, macht mal langsamer beim Testen, bitte."
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