SPD-Mann will Krim-Annexion "legalisieren"

Matthias Platzeck, Ex-SPD-Chef, will Krim-Annexion anerkennen.
Debatte um harten Merkel-Kurs gegenüber Moskau und um "Putin-Versteher" Platzeck. Steinmeier bei Putin.

In der Früh Kiew, am Nachmittag Moskau – und am Abend dann kurzfristig anberaumt noch ein Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin, der zuvor noch gegen die USA gedonnert hatte, Washington wolle Russland unterwerfen. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte einen heftigen Dienstag (siehe unten). Kiew sieht Moskau hinter dem permanenten Bruch des Waffenstillstandsabkommens in der Ostukraine; Moskau beschuldigt Kiew. Zwei Seiten eines Konflikts an einem Tag.

Und daheim: Da ist der Streit über die heftige Kritik an Russlands Präsident Putin, mit der Kanzlerin Merkel am Wochenende Deutschland und die Welt auf eine andauernde Konfrontation mit ihm einstimmte, voll entbrannt. Merkel hatte nach dem letzten Vier-Stunden-Gespräch mit Putin in einer dramatischen Verschärfung ihrer Tonlage vor einem „Flächenbrand“ gewarnt, der sich aus dem Konflikt um die Ostukraine zu entzünden drohe. Damit hatte sie in Sydney begründet, warum der Westen gegen Putins neurussische Expansionspolitik standhaft bleiben müsse – angesichts einer Verstärkung der separatistischen Verbände innerhalb der Ukraine über die Grenze zu Russland und eskalierender Gefechte entlang der gesamten Front.

In der deutschen Politik und den Medien bekam sie dafür überwiegend Zustimmung, aber auch Kritik: Am heftigsten missbilligte Matthias Platzeck, Vorsitzender des halbstaatlichen Vereins „Deutsch-Russisches Forum“, den Umgang mit Putin. Der Ex-SPD-Chef und Ex-Ministerpräsident von Brandenburg forderte gar die nachträgliche Legalisierung der Annexion der Krim durch Russland („... muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, so dass sie für alle hinnehmbar ist“, etwa durch eine Wiederholung des Referendums unter OSZE-Aufsicht). Auch die Rückkehr von Donezk und Luhansk in den ukrainischen Staatsverband sei kaum vorstellbar: „Der Klügere gibt auch mal nach.“

Platzeck sprach von einer „Situation am Rande der Irreparabilität, aus der wir herauskommen müssen.“ Moskau vermisse „Respekt auf Augenhöhe für ihre Angst vor der Einkreisung durch die NATO, kluge Politik hätte die einbeziehen müssen“.

Sanktionen

Voll recht gab Platzeck nur die kommunistische „Linke“: Es gelte jede Rhetorik eines dritten Weltkriegs zu vermeiden, so deren Fraktionschef Gregor Gysi, einst letzter Chef der DDR-Einheitspartei SED.

Insgesamt überwiegt aber der Widerspruch gegen Platzeck, auch aus den eigenen Reihen: Der „Koordinator der Bundesregierung für die Östliche Partnerschaft“, Gernot Erler (SPD), verteidigte Merkel: Putin unterschreibe Dinge, die er nicht umsetze, ein normaler Umgang mit ihm sei eine „große Herausforderung“. Volle Zustimmung bekam Merkel auch vom deutschen Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, der staatlich finanzierten Studienagentur der SPD.

Weniger eindeutig blieb bisher Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er räumte bereits vor seinen Visiten in Kiew und Moskau ein, „dass sich in den letzten eineinhalb Wochen die Lage zweifellos zugespitzt hat und wir aufpassen müssen, dass sie nicht außer Kontrolle gerät – was die Lage am Boden und was unsere gemeinsame öffentliche Sprache angeht.“ Manche in Berlin sehen darin Kritik an Merkel.

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat am Dienstagabend intensiv mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Ukraine-Krise beraten. Das "ernsthafte und offene Gespräch" im Kreml könne womöglich "neue Perspektiven der Kooperation eröffnen", um Wege aus dem Konflikt zu finden, verlautete im Anschluss aus Delegationskreisen. Vor der offenbar überraschenden Einladung Putins hatte Steinmeier weniger zuversichtlich geklungen. Es gebe keinen Grund für "Optimismus", sagte er nach einem vorangegangenen Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow.

Im Lauf des Tags hatte sich erneut abgezeichnet, wie verhärtet die Fronten zwischen Kiew und Moskau sind. Steinmeier sprach zunächst in der ukrainischen Hauptstadt mit Regierungschef Arseni Jazenjuk und Präsident Petro Poroschenko, bevor er nach Moskau weiterflog. Jazenjuk bekräftigte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Steinmeier die ukrainische Bereitschaft zu "ernsthaften Verhandlungen auf neutralem Gebiet".

"Nebelvorhang von Verhandlungsformaten"

Dies wurde vom russischen Vizeaußenminister Grigori Karassin brüsk zurückgewiesen. Kiew wolle sich hinter einem "Nebelvorhang von Verhandlungsformaten" verstecken, sagte er. Russland pocht auf direkte Verhandlungen zwischen der ukrainischen Regierung mit den prorussischen Separatisten in Lugansk und Donezk, wie auch Lawrow später klarmachte. Genau dies verweigert Kiew aber.

Inwiefern das Gespräch mit Putin hier neue Perspektiven aufzeigte, blieb zunächst unklar. Allerdings betonten sowohl Steinmeier als auch Lawrow, dass an der im September in Minsk geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarung unbedingt festgehalten werden müsse. Diese sieht etwa die Einrichtung einer entmilitarisierten Pufferzone unter internationaler Aufsicht vor. "Wenn wir aufrichtig sind, müssen wir für die Einhaltung der Abkommen sorgen", sagte Lawrow.

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