Deutschland soll jetzt ein Heimatministerium bekommen. Ein was?

Neuer Heimatminister: Horst Seehofer
Horst Seehofer wird nicht nur Innenminister - sein Ressort soll auch um den Bereich "Heimat" erweitert werden. Was das für die CSU bedeutet - und wieso das doch überraschend ist. Eine Analyse.

Für die CDU gibt's die Kanzlerin, die Schlüsselressorts gehen an die SPD (mehr dazu hier). Und die CSU? Die verbucht auch einen Verhandlungserfolg für sich. Zumindest einen symbolischen. Deutschland wird künftig ein Heimatministerium bekommen.

Ein was? Ja, in der allgemeinen Aufgeregtheit um die Jetzt-doch-noch-GroKo ging das fast unter, aber: Deutschland bekommt ein Heimatministerium. Ausgerechnet Deutschland. Also das Land, in dem eine Fußball-Weltmeisterschaft noch vor nicht allzu langer Zeit eine Diskussion darüber auslöste, ob man es mit dem Patriotismus nicht übertreibt, wenn man sich die schwarz-rot-goldene Fahnen aufs Auto heftet; das Land, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 ihrem damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe selbige Fahne bei einer Wahlkampfveranstaltung abnahm.

Führen soll das, so denn alles klappt (ein SPD-Mitgliederentscheid steht ja noch aus), CSU-Chef Horst Seehofer. Das ist nicht nur der Mann, der aus seiner politischen Heimat Bayern nach Berlin abgeschoben wurde - das ist auch der Mann, der im Wahlkampf die alte Strauß-Doktrin wiederbeleben wollte, nach der es keine Partei rechts von der CSU geben dürfe - und dafür böse abgestraft wurde.

Dass der im Vergleich zur Schwesterpartei CDU deutlich rigidere Asylkurs der CSU das schlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte in Bayern bescherte – so deuteten es jedenfalls die deutschen Kommentatoren - hat für eine Kurskorrektur aber offenbar nicht gereicht. Im Gegenteil. Das "weiter so" gilt nicht nur für die große Koalition, lernen wir heute. Es gilt – jedenfalls für die CSU - auch programmatisch - und symbolisch im Heimatministerium.

Wink

Konkret wird für Seehofer das Innenministerium um die neuen Bereiche "Heimat und Heimatschutz" erweitert. Damit unterscheidet sich die deutsche Lösung im Vergleich von dem Versuch, den die FPÖ und ÖVP in ihren Regierungsverhandlungen kurzfristig unternommen hatten. Parteichef Heinz-Christian Strache hätte für sein „Heimatschutzministerium“ Agenden aus anderen Ressorts extra abgezogen und zusammengeführt.

In Österreich ließen ÖVP und FPÖ von ihrem Plan eines "Heimatschutzministeriums" zwar in letzter Sekunde ab, nachdem sich unter Experten unter anderem schon wegen der Bezeichnung alleine Widerstand geregt hatte (mehr dazu hier).

Der symbolische Wink, der bleibt jedoch hüben wie drüben derselbe: Heimat, das zählt wieder was.

Ganz neu ist die Idee freilich nicht. In Bayern gibt es bereits seit 2013 ein eigenständiges Heimatschutzministerium - offiziell lautete das Ziel die Herstellung „gleichwertiger Lebensverhältnisse im Freistaat“. Bayern verlagerte Behörden und Verwaltungsjobs in Gemeinden, unterstützte den Aufbau neuer Hochschulstandorte abseits der Metropolen und verteilte mit sogenannten Stabilisierungshilfen in den vergangenen Jahren rund neun Milliarden Euro an finanzschwache bayerische Gemeinden um.

Auch das kommt einem bekannt vor. Der Versuch, in Österreich Ähnliches umzusetzen, gipfelte zuletzt ja in der geplanten Umsiedelung des Umweltbundesamts in das rurale Klosterneuburg.

Lebkuchen

Vor allem aber nutzte die CSU das Wohlfühl-Ministerium, um die Seelen seiner Bürger zu streicheln. Es gibt Heimatpreise, im Mai werden die hundert besten bayerischen Wirtshäuser mit jeweils tausend Euro und einer Urkunde ausgezeichnet. Außerdem steht (Noch)Heimatminister Markus Söder außer für einen offenen Geldbeutel für volkstümliche Schwärmereien. Heimat sei für ihn "Glockenläuten, Bratwurstduft, Lebkuchen".

Mahlzeit. In Bayern operierte Söder eigenständig, organisierte in seinem Ministerium etwa auch den Breitbandausbau. In Berlin wird das Heimat- jetzt in das Innenministerium einverleibt. Von dem herzhaften Geschmack von Bratwurst und Lebkuchen könnte so nur ein Geschmäckle übrigbleiben. Welche Aufgaben das Heimatministerium künftig haben wird, außer der AfD das Wasser abzugraben, ist bisher jedenfalls nicht bekannt.

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