Für den aktuellen Dämpfer ist vor allem der seit Monaten schwellende Heizungsstreit verantwortlich: Im Februar drang Habecks Gesetzesentwurf an die Öffentlichkeit, der vorsah, dass ab 1. Jänner 2024 jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energie betrieben werden muss – ein De-facto-Verbot für neue Öl- und Gasheizungen. Der Entwurf enthielt nicht nur große juristische Lücken, sondern sorgt für große Empörung in der Bevölkerung und in der Regierung selbst: Hinter vorgehaltener Hand wird der liberale Koalitionspartner für die Veröffentlichung verantwortlich gemacht.
Das Gesetz soll nun zwar abgeschwächt werden – eine Staffelung des Startzeitpunktes steht im Raum –, das Bild einer zerstrittenen Koalition bleibt trotzdem.
Fehlende Führung
"Die Stärke der AfD ist immer die Schwäche der Regierung. Die gibt ein derart desaströses Erscheinungsbild ab, das den Populisten, die mit Ressentiments und Wut operieren, ungemein zuspielt", analysiert Politikwissenschafter Albrecht von Lucke von der Monatszeitschrift Blättern für deutsche und internationale Politik. Er kritisiert vor allem die Passivität des Kanzlers: "Olaf Scholz nimmt in keinem Feld die von ihm versprochene Führungsrolle ein, im Gegenteil: Er lässt FDP und Grüne streiten und reißt so das Autoritätsvakuum massiv auf. Das führt dazu, dass die am autoritärsten agierende Kraft den Zuspruch erhält."
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Neben einer zerstrittenen Ampel und der Wut auf die Energiepolitik der Regierung bewegt die Bevölkerung vor allem die Migrationsfrage zu einer Stimmabgabe für die Rechtsextremen – nach wie vor das zentrale Wahlkampfthema der AfD, das die Politik aber nicht löst. "Das letzte Mal, als die AfD bei 18 Prozent lag, war im Herbst 2018 – während des Asylstreits zwischen Seehofer und Merkel", erinnert von Lucke.
Polarisierender Merz
Auch die Opposition schafft es nicht, die AfD "zu halbieren", wie CDU-Chef Friedrich Merz einst groß versprochen hat. Merz selbst kann man sogar vorwerfen, die AfD teilweise gesellschaftsfähig gemacht zu haben: "Die CDU spielt mit dem Populismus, macht Positionen, die reiner AfD-Jargon sind, erst stark, rudert dann wieder zurück" – man denke an Merz' umstrittenen "Pascha"-Sager. "Das nutzt letztendlich immer dem populistischen Original", so der Politikwissenschafter.
Dennoch darf man nicht vergessen: Zwei Drittel der vermeintlichen AfD-Wähler gelten als Wechselwähler, stimmen für die Partei aus Protest und Enttäuschung über die Ampel. "Sobald es die Regierung schafft, inhaltliche Lösungen zu bieten, wird auch die Zustimmung zur AfD wieder sinken", glaubt von Lucke.
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