Warum die Ampel am Umfragehoch der AfD mitschuld ist

Bundestag session in Berlin
Die AfD liegt in Umfragen gleichauf mit der Kanzlerpartei SPD. Daran ist die Ampel selbst schuld. Gleichzeitig hat sie es in der Hand, den Trend umzukehren.

"Vielen Dank für Ihre große Unterstützung!", twitterte AfD-Chefin Alice Weidel am Freitag. Darunter verlinkt: eine Umfrage von ARD-DeutschlandTrend, der zufolge die AfD nicht mehr nur die Grünen (15 Prozent) überholt hat und Wirtschaftsminister Robert Habeck in ein Beliebtheitstief stürzt, sondern sogar gleich auf mit der Kanzlerpartei SPD bei 18 Prozent liegt. Eine Genugtuung für AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der die Ampel vor Kurzem als "Regierung, die man sich nicht schlimmer hätte vorstellen können", bezeichnet hatte.

Dass die Rechtsextremen seit Monaten an Zustimmung zulegen, ist kein Deutschland-spezifisches Phänomen: In Österreich hat die FPÖ die Regierungspartei und alle anderen in den Umfragen längt überholt. In der Bundesrepublik ist das Abrutschen aber stark selbst verschuldet. Nur mehr jeder Fünfte ist laut DeutschlandTrend mit der Arbeit der Regierung zufrieden.

Für den aktuellen Dämpfer ist vor allem der seit Monaten schwellende Heizungsstreit verantwortlich: Im Februar drang Habecks Gesetzesentwurf an die Öffentlichkeit, der vorsah, dass ab 1. Jänner 2024 jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energie betrieben werden muss  ein De-facto-Verbot für neue Öl- und Gasheizungen. Der Entwurf enthielt nicht nur große juristische Lücken, sondern sorgt für große Empörung in der Bevölkerung und in der Regierung selbst: Hinter vorgehaltener Hand wird der liberale Koalitionspartner für die Veröffentlichung verantwortlich gemacht.

Das Gesetz soll nun zwar abgeschwächt werden – eine Staffelung des Startzeitpunktes steht im Raum –, das Bild einer zerstrittenen Koalition bleibt trotzdem.

Fehlende Führung

"Die Stärke der AfD ist immer die Schwäche der Regierung. Die gibt ein derart desaströses Erscheinungsbild ab, das den Populisten, die mit Ressentiments und Wut operieren, ungemein zuspielt", analysiert Politikwissenschafter Albrecht von Lucke von der Monatszeitschrift Blättern für deutsche und internationale Politik. Er kritisiert vor allem die Passivität des Kanzlers: "Olaf Scholz nimmt in keinem Feld die von ihm versprochene Führungsrolle ein, im Gegenteil: Er lässt FDP und Grüne streiten und reißt so das Autoritätsvakuum massiv auf. Das führt dazu, dass die am autoritärsten agierende Kraft den Zuspruch erhält."

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Zieht die AfD an der Regierung vorbei? Alice Weidel im Bundestag vor Habeck und Kanzler Scholz.

Neben einer zerstrittenen Ampel und der Wut auf die Energiepolitik der Regierung bewegt die Bevölkerung vor allem die Migrationsfrage zu einer Stimmabgabe für die Rechtsextremen – nach wie vor das zentrale Wahlkampfthema der AfD, das die Politik aber nicht löst. "Das letzte Mal, als die AfD bei 18 Prozent lag, war im Herbst 2018 – während des Asylstreits zwischen Seehofer und Merkel", erinnert von Lucke.

Polarisierender Merz

Auch die Opposition schafft es nicht, die AfD "zu halbieren", wie CDU-Chef Friedrich Merz einst groß versprochen hat. Merz selbst kann man sogar vorwerfen, die AfD teilweise gesellschaftsfähig gemacht zu haben: "Die CDU spielt mit dem Populismus, macht Positionen, die reiner AfD-Jargon sind, erst stark, rudert dann wieder zurück" – man denke an Merz' umstrittenen "Pascha"-Sager. "Das nutzt letztendlich immer dem populistischen Original", so der Politikwissenschafter.

Dennoch darf man nicht vergessen: Zwei Drittel der vermeintlichen AfD-Wähler gelten als Wechselwähler, stimmen für die Partei aus Protest und Enttäuschung über die Ampel. "Sobald es die Regierung schafft, inhaltliche Lösungen zu bieten, wird auch die Zustimmung zur AfD wieder sinken", glaubt von Lucke.

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